© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
WIRTSCHAFT
Vom Treuegesetz zum Reuegesetz
Bernd-Thomas Ramb

Was beim Euro offiziell fehlt, das "T", ist beim Tariftreue-gesetz fehl am Platze. Mittlerweile spricht jeder - ob berechtigt oder nicht - nur noch vom Teuro, kaum einer erwähnt jedoch, daß das Tariftreuegesetz sich schnell zum Tarifreuegesetz entwickeln kann. Im Augenblick ist die Gesetzesvorlage zwar durch die Ablehnung im Bundesrat auf das Eis des Vermittlungsausschusses gelegt. Die ablehnenden Unions-Länder streben jedoch nur Korrekturen zugunsten der mitteldeutschen Firmen an, aber nicht den Stopp des Gesetzes. Schließlich praktiziert das von Stoiber regierte Bayern bereits seit längerer Zeit ein Tariftreuegesetz auf Landesebene.

Tariftreue bedeutet, daß die öffentliche Hand bei der Vergabe von Aufträgen von den Firmen die Einhaltung der örtlichen Verbandstarife einfordert. Wird etwa in Düsseldorf ein Bauauftrag an eine sächsische Baufirma erteilt, muß diese Firma sicherstellen, daß ihre Bauarbeiter nach dem für Düsseldorfer Baufirmen gültigen Lohntarif bezahlt werden. Der einseitige Gerechtigkeitsaspekt verschließt den Blick auf Ungerechtigkeiten, die nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundestagsrechtsausschusses, Rupert Scholz (CDU), das Tariftreuegesetz verfassungswidrig machen. Faktisch werden nämlich alle der öffentlichen Hand Leistungen anbietenden Firmen in die jeweilige Tarifgemeinschaft gepreßt. Allerdings ist kaum anzunehmen, daß eine der Bundestagsparteien vor das Bundesverfassungsgericht zieht. Dennoch könnten auch die Parteien rasch das Tariftreuegesetz bereuen. Im Ergebnis wird es nicht nur die Billiganbieter, die mit ihren Preisen durchaus überleben könnten, in den Konkurs treiben. Die überhöhten Preise belasten nochmals die öffentlichen Haushalte, die schon jetzt ihre Belastungsgrenze überschritten haben.


 
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