© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/02 21. Juni 2002

 
Prinzessin zwischen lauter Aschenputteln
Pharmaindustrie: Der kroatische Pliva-Konzern ist weltweit aktiv / Arzneimittelwerk Dresden gehört Zagreber Firma
Carl Gustaf Ströhm

Aus Kroatien kommen, was die Wirtschaft angeht, keine guten Nach-richten. Seit der Installierung einer Linksregierung im Januar 2000 hat sich die Zahl der Arbeitslosen und der in Konkurs gegangenen Betriebe dramatisch erhöht. Das Versprechen des sozialdemokratischen Premiers Ivica Racan, 200.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, hat sich als heiße Luft erwiesen. Das Staatsdefizit beträgt bereits fast sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Auslandsverschuldung steigt unaufhaltsam an. In diesem Jahr muß die Regierung zwei Milliarden Dollar an neuen Krediten aufnehmen, um über die Runden zu kommen.

Durch Privatisierung einiger Großbetriebe - Kritiker sprechen allerdings von der Verschleuderung des nationalen "Familiensilbers" - versucht man, zusätzliche Einnahmen zu erzielen und den Etat zu entlasten. Allerdings stößt man auch hier auf Grenzen: die Absicht der Regierung, die größte Versicherung des Landes, "Croatia", für 120 Millionen Euro an das Ausland zu verkaufen und das hereinkommende Geld für die Finanzierung eines Beschäftigungsprogramms zu verwenden, ist einstweilen gescheitert. Die österreichische "Uniqa"-Versicherung zog sich nach Einsichtnahme in die Geschäftsbücher zurück - und die Münchner "Allianz" will nun nur noch magere 50 Millionen Euro für eine Übernahme bezahlen.

Aus diesem tristen Bild ragt ein einziges kroatisches Großunternehmen hervor, das sich wie eine Prinzessin zwischen lauter Aschenputteln ausnimmt. Der Pharmakonzern "Pliva" mit Sitz in Zagreb (Agram) ist der größte dieser Branche in Mittel- und Osteuropa. "Pliva" macht glänzende Geschäfte mit Medikamenten. Ihr größter Renner ist seit Jahren das Makrolid-Antibiotikum Azithromycin, das gegen eine Vielzahl von Erregern des oberen Respirationstraktes sowie gegen Toxoplasmen und atypische Mykobakterien wirksam ist. Auch bei fortgeschrittener HIV-Infektion wird dieses Breitband-Antibiotikum eingesetzt. Das von den Zagrebern entdeckte und entwickelte Azithromycin ist ein Patent von "Pliva" und wird von der Firma unter dem Namen "Sumamed" angeboten. Sogar der US-Pharmakonzern Pfizer stellt es unter der Bezeichnung "Zitromax" in Lizenz her.

Das größte Geschäft macht der kroatische Konzern, dessen Aktien an der Londoner Börse gehandelt werden, aber mit sogenannten Generika: dem kostengünstigen Nachbau von Medikamenten, deren Patente abgelaufen sind. Im östlichen Europa hat sich der Zagreber Konzern bereits in kommunistischen Zeiten eine führende Marktposition erworben. Aber der Ehrgeiz des kroatischen Pharmazeutik-Managements geht noch weiter. Mehr als 75 Prozent der gesamten "Pliva"-Einnahmen werden auf dem internationalen Markt erzielt. "Pliva" ist aber nicht nur auf den einstigen Ostmärkten, sondern auch in Westeuropa und den USA präsent. Auch hier konzentriert sie sich auf den Verkauf von "specialty pharmaceuticals", wie Spezialarzneien im Wall Street-Jargon genannt werden.

Während andere kroatische Firmen dem Ausland zum Verkauf angeboten werden (was bereits zu heftiger Kritik an der Zagreber Regierung wegen eines angeblichen "Ausverkaufs" des Landes führte), dreht "Pliva" den Spieß um und kauft im Ausland pharmazeutische Unternehmen ein. Bereits vor mehreren Jahren erwarben die Zagreber eine pharmazeutische Fabrik in Polen, im vergangenen Jahr übernahmen sie die "Pharmascience" in Großbritannien. "Pliva"-Zweigbetriebe gibt es außerdem in der Tschechei und Frankreich.

Auch in Deutschland sind die Kroaten aktiv. Im Jahr 2001 übernahmen sie die Dresdner "AWB-Pharma"- das größte Unternehmen dieser Art in Sachsen. Der einstige VEB Arzneimittelwerk Dresden entstand nach 1945 aus dem 1835 von dem Kaufmann Franz Ludwig Gehe in Dresden gegründeten Pharma-Großhandel Gehe & Cie. Anläßlich der Übernahme kam es zu Protestaktionen der Belegschaft, aber inzwischen produziert man in Dresden erfolgreich unter Oberaufsicht der "Pliva" AG. Die inzwischen in Stuttgart ansässige Gehe AG hatte kein Interesse für AWB. Das Schmerzmittel "Katadolon" (Wirkstoff Flupirtin) sowie Präparate zur Indikation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und des zentralen Nervensystems.

Seit neuestem greift "Pliva" nun auch über den Atlantik und kaufte einen Pharma-Betrieb in den USA. Für 152,9 Millionen US-Dollar erwarben die Zagreber die US-Niederlassungen des niederländischen Nahrungsmittel- und Pharma-Erzeugers "Sobel N.V.", zu der die "Sidmak Laboratories" und die "Odyssey Pharmaceuticals Inc." in East Hanover (New Jersey) gehören. Zu deren Produktionspalette zählen ungefähr 40 Generika. Durch die Akquisition erwartet sich "Pliva" einen direkten Zugang zum US-Pharmazeutik-Markt und den Verkauf von "Pliva"-Prokukten jenseits des Atlantiks. Die USA sind der größte Pharma-Markt der Welt mit einem Umsatz von 150 Milliarden Dollar im Jahr 2000, was 42 Prozent des weltweiten Pharma-Geschäftes ausmacht. Der kroatische "Pliva"-Präsident Zeljko Covic sprach davon, daß der Einkauf in den USA es dem Zagreber Stammhaus ermöglichen werde, finanziell von diesem größten Pharma-Werk zu profitieren und das heimische Forschungs- und Entwicklungspotential besser auszunutzen.

"Pliva" liefert den Beweis dafür, daß sich in einzelnen Bereichen auch mittel- und osteuropäische Firmen auf dem Weltmarkt gut behaupten können - wenn es ihnen gelingt, in einer "Nische" gewisse Standort- und Erfahrungsvorteile auszunutzen. "Pliva" war gewiß ein Kind des Sozialismus, aber im Gegensatz zu den meisten einstmals sozialistischen Betrieben hat der Zagreber Konzern seine Chancen zu nutzen verstanden und Märkte mit Generika - den billig "nachgebauten" Medikamenten - versorgt, die niemals imstande gewesen wären, die hohen westlichen Preise zu bezahlen. Hier ähnelt die Situation bei "Pliva" dem benachbarten slowenischen "Krka"-Werk (über das die JF 09/02 bereits berichtete).

Natürlich war der Glücksfall, der den "Pliva"-Leuten das notwendige Startkapital sicherte, die Erfindung des Antibiotikums "Sumamed"/"Citromax". Aber die "Pliva"-Leute haben offensichtlich dieses Kapital nicht verfrühstückt, sondern es sinnvoll und - wie es scheint - gewinnbringend eingesetzt.


 
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