© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002


Sturzflug des Roten Adlers
von Steffen Königer

Völlig unerwartet kam der Rücktritt des seit zwölf Jahren - und damit am längsten - regierenden Ministerpräsidenten Deutschlands, des "Roten Adlers" Manfred Stolpe, nicht. Nur der Zeitpunkt ist überraschend: Warum trat Stolpe ausgerechnet wenige Wochen vor der Bundestagswahl zurück - wo doch seinem Genossen Gerhard Schröder die Umfragewerte schlaflose Nächte bescheren? Könnte es sein, daß Schröder in seiner Wahlkampfmannschaft ein Gegengewicht zum CDU-Wirtschaftsexperten Lothar Späth benötigt?

Bereits bei seiner letzten Wiederwahl als Ministerpräsident kündigte Stolpe an, noch während der laufenden Legislaturperiode sein Amt an einen Nachfolger abzugeben - er sei amtsmüde, hieß es zur Begründung. So müde bietet er sich nun als künftiger Bundesminister an. Urplötzlich erinnert man sich an Ereignisse im letzten SPD-Bundestagswahlkampf: dem Volk wurde ein Wirtschaftsminister versprochen, der flugs nach dem Wahltag bei der Kabinettsbildung sang und klanglos von der Bildfläche verschwand. Ist diesmal Stolpe dazu ausersehen? Manfred Stolpe soll wohl wegen seines Bekanntheitsgrades als "Integrationsfigur des Ostens" herhalten - war doch vom Osten als "Chefsache" des Kanzlers bis jetzt wenig zu bemerken. Ein "Macher" ist Stolpe kaum: Einzig der Speckgürtel der Metropole Berlin rettet das Bundesland Brandenburg vor seinem totalen Niedergang. Einstige Vorzeigeprojekte wie der Lausitzring oder Cargolifter: Pleite! Kaum verwunderlich, daß Stolpe dies bei seinem tränenreichen Abschied nicht erwähnte.


 
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