© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
PRO&CONTRA
Eine gemeinsame EU-Grenzpolizei errichten?
Brigadier Kurt Hager / Konrad Freiberg

Die österreichische Position findet sich in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Sevilla voll wieder. Österreich bewacht rund 1400 Kilometer der Schengen-Außengrenze und hat acht Nachbarstaaten. Aus unseren praktischen Erfahrungen wissen wir, daß der Schlüssel für eine verbesserte Kontrolle der Außengrenzen in der qualitativen Weiterentwicklung der bestehenden nationalen Grenzdienste und der Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Grenzdiensten liegt.

Realistischer und pragmatischer ist der gewählte Ansatz. Die EU wird gemeinsame Standards zur Ausbildung der Grenzdienstbeamten durch einen Kernlehrplan vorgeben. Durch eine Zusammenstellung der europäischen Grenzvorschriften soll eine gleichmäßige Qualität der Grenzkontrollen in allen Mitgliedstaaten erreicht werden. Wichtig erscheint Österreich auch die Schaffung sogenannter "Krisenreaktionseinheiten", die in den Mitgliedstaaten aufgestellt werden und für Assistenzeinsätze über Ersuchen eines Mitgliedstaates an der Außengrenze eingesetzt werden können. Es muß auch darüber nachgedacht werden, wie eine Aufteilung der (finanziellen) Belastung zwischen den Mitgliedstaaten und der EU beim Schutz der Außengrenzen aussehen kann.

Wird es nun irgendwann eine EU-Grenzpolizei geben? Die Kommission prüft diese Frage weiter und auch im Zukunftskonvent wird sie diskutiert. Für Österreich ist jedoch klar, daß die Verantwortung für den Schutz der Außengrenzen mittelfristig bei den Mitgliedstaaten bleiben muß! Dieser Bereich ist zu wichtig und zu sensibel, um als Experimentierfeld für Integrationsideen zu dienen. Ein integrierter Schutz der Außengrenzen ist ein wesentliches Element einer umfassenden Migrationspolitik der Union. Auch der Kampf gegen die Schleuserkriminalität, den Menschenhandel und sonstige Formen der grenzüberschreitenden Kriminalität gewinnt eine neue Qualität.

 

Brigadier Kurt Hager ist Koordinator der Arbeiten zum integrierten Grenzschutz im Bundesministerium des Inneren in Österreich.

 

 

Der Vorschlag, eine gemeinsame EU-Grenzpolizei zu stationieren klingt zunächst verlockend. Ins Visier nehmen Politiker dabei insbesondere die grenzpolizeiliche Aufgabe des Schutzes vor illegaler Einwanderung. Es erscheint einleuchtend, auf diesem Weg zu einem gemeinsamen Beitrag aller Länder zu kommen, weil sonst die Länder mit den größten Außengrenzen eine überproportional höhere Last zu tragen hätten. Die Situation Italiens zum Beispiel, das eine lange Küste als EU-Außengrenze zu schützen hat, ist nicht beneidenswert. Auch der Schutz einer künftigen EU-Ostgrenze nach einem Beitritt Polens, der dann in die Zuständigkeit dieses Landes fällt, wird von allen Sicherheitspolitikern skeptisch beurteilt. Was läge da näher, als alle Grenzpolizeien der EU in einen Topf zu werfen und die Einsatzkräfte je nach Sicherheitslage an die jeweiligen Einsatzschwerpunkte zu beordern. Im Klartext könnte das heißen, daß deutsche Grenzschutzbeamte morgen in Italien und übermorgen in Portugal den Grenzschutz verstärken, da Migrationsströme rasch ihre Richtung ändern können. Was das für die Polizeibeamten bedeutet, kann man sich ebenfalls vorstellen. Die Gewerkschaft der Polizei wird jedenfalls nicht zulassen, daß der bisherige deutsche Bundesgrenzschutz zu einer beliebigen europäischen Verfügungsmasse wird. Aber auch in anderer Hinsicht sollte man auf dem Teppich der Realitäten bleiben. Die EU ist nicht so aufgestellt, daß ein gemeinsamer Polizeieinsatz unter ihrer Führung in absehbarer Zeit denkbar wäre.

Da es sich hier um menschliche Schicksale handelt, gehören Einsätze gegen illegale Einwanderer zu den schwersten Polizeieinsätzen, die zudem von der nationalen und internationalen Öffentlichkeit genau beobachtet werden. Eine gemeinsame operative Polizeiorganisation in Europa bedeutet, daß sich alle beteiligten Länder auf gleiche Rechtsgrundlagen einigen müssen und eine gemeinsame Polizeiphilosophie vertreten. Das dürfte ein langer Weg werden.

 

Konrad Freiberg ist Kriminalhauptkommissar und Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).


 
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