© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
Kolumne
Rechtstrend?
Hans-Helmuth Knütter

Seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, eifern die Linken gegen eine angebliche Gefahr von Rechts. Nachdem es ihnen gelungen ist, damit die Meinungsführerschaft zu erobern, laufen die sogenannten "Bürgerlichen", hierzulande die CDU/CSU und die FDP, im Trend mit. Nichts fürchten sie mehr, als vom "Mainstream" abgehängt und in eine Rechtfertigungsposition gedrängt zu werden. Seit Rot-Grün die Regierungsposten innehat, überschlägt sich die Hetze gegen Rechts. Lenkt man doch damit von der eigenen linken Ideen- und Konzeptionslosigkeit ab und verschleiert die rot-grüne Zusammenarbeit mit der linksextremen PDS. Zunächst unmerklich, inzwischen aber offenkundig, hat sich ein Stimmungswandel vollzogen. Das dauernde Geheul über die Gefahr von Rechts erregt bloß noch Widerwillen, allenfalls Langeweile. Parteipolitiker und Medien sind hysterisch, die Bevölkerung aber ist indolent. Sie verweigert sich und bleibt bei Wahlen einfach zu Hause oder, noch schlimmer für die Etablierten, sie wählt rechts. Deshalb sind seit 1999 - allem antirechten Geschrei zum Trotz - in vielen Ländern die linken Regierungen abgewählt und durch rechte Mehrheiten ersetzt worden. Das rot-grüne Establishment verfällt in Panik! Am liebsten würde man das Wählen abschaffen. Hat man doch in Österreich versucht, das unerwünschte Wahlergebnis, das die Wähler angerichtet hatten, durch den Druck der Straße zu korrigieren. Hat aber nichts genützt.

Die Verfassungswirklichkeit widerspricht dem Wortlaut der Verfassung. Kampf gegen Rechts, zugleich aber Kumpanei mit Links, der PDS, aber auch anderen linksextremen Aktivisten bedeutet: Die BRD entwickelt sich von der freiheitlichen demokratischen zur antifaschistischen volksdemokratischen Ordnung. Die untergegangene DDR war wenigstens ehrlich. Sie behauptete nicht, weltanschaulich neutral, tolerant und meinungspluralistisch zu sein. Sie bekannte sich offen zur Parteilichkeit. Die heutige BRD beansprucht hingegen zu Unrecht eine Liberalität, der ihre Verfassungswirklichkeit immer offener widerspricht.

Kann der angebliche europäische "Rechtstrend" hier Abhilfe schaffen? Was haben eigentlich bisher Haider, Berlusconi und ihre Pendants in Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Frankreich bewirkt? Immerhin haben sie die regierenden Linken aus den lukrativen Posten geworfen. Das tut weh und treibt zu Taten, die man ohne diesen Druck unterließe.

Die deutsche Rechte, zu der die CDU/CSU und die FDP trotz Möllemann nicht gehören, hat zu diesem Trend fast nichts beigetragen. Er widerfährt ihr, wider Willen und Wahrscheinlichkeit.

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrte Politikwissenschaften an der Universität Bonn.


 
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