© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
Es herrschen die Gesetze des Marktes
Militärindustrie: Der "Fall U 31" und die deutsche Waffentechnik der Kieler HDW / US-Investoren mit militärstrategischem Kalkül
Michael Wiesberg

Falls die USA den Willen aufbringen, werden wir die Welt im 21. Jahrhundert beherrschen und die globalen Sicherheitsstrukturen dominieren. Unsere Vorherrschaft wäre im Hinblick auf Ausdehnung, Machtentfaltung und Moral ohne Präzedenzfall." Diese Sätze stammen von Ralph Peters, der als einer der renommiertesten US-Militärstrategen gilt. Die Internationalisierung der Märkte eröffnet den USA im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziel ungeahnte Möglichkeiten. Peters bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt, daß die Zukunft nie voll berechenbar sei, Globalisierung aber bedeute, daß einheitliche Regeln von den mächtigsten Akteuren festgelegt werden. Diese Regeln seien vor allem ökonomischer Natur. Dieses von Peters angesprochene Regelwerk, so muß die Schlußfolgerung lauten, beansprucht nicht nur eine gewisse ökonomische Kalkulierbarkeit der Zukunft, sondern ist auch mit einer Festschreibung der US-amerikanischen Vorherrschaft verbunden.

Die "ökonomischen Regeln", von denen Peters so schwärmt, tangieren inzwischen auch militärtechnologisch sensible Bereiche, wie der aktuelle "Fall U-3" (U-Boot-Klasse 212) zeigt, der seit einiger Zeit die deutschen Medien beschäftigt. Dieses U-Boot wird von der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) gebaut, die bei nichtnuklearen U-Booten Weltmarktführer ist. 75 Prozent der HDW-Aktien sind jetzt in US-Hände geraten, genauer gesagt: in die Hände der mit der amerikanischen Bank One Corporation in Verbindung stehenden Kapitalgesellschaft One Equity Partners.

Die Beteiligten versuchten die Bedeutung dieses Deals zunächst herunterzuspielen. Die Babcock Borsig AG in Oberhausen, die Vorbesitzer der an die Amerikaner verkauften Aktien, erklärte, daß sich diese verpflichtet hätten, die deutsche Universalwerft zu erhalten. Eine Übertragung an militärtechnologischem "Knowhow" sei ebenso ausgeschlossen wie der Weiterverkauf der Anteile der Amerikaner - etwa an US-Rüstungskonzerne wie General Dynamics oder Northrop Grumman. Außerdem sei für eine Frist von drei Jahren deutschen Interessenten ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden.

Auf den ersten Blick schien also keine Gefahr in Verzug. HDW-Vorstandschef Klaus G. Lederer gelang es mit diesen Argumenten, besorgte deutsche Politiker erst einmal ruhigzustellen. Inzwischen sind aber neue Details des Geschäfts offenkundig geworden. Danach soll auch die US-Rüstungsfirma Northrop Grumman mit 20 Prozent an der HDW beteiligt sein. Babcock, das noch 25 Prozent an der HDW hält, wolle offensichtlich seinen Anteil an den US-Konzern veräußern, mutmaßte der Spiegel (25/02).

Sollte es dabei bleiben, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Amerikaner die HDW übernommen haben. Aus Sicht der HDW eine durchaus verheißungsvolle Entwicklung, weil die Übernahme der Werft durch die Amerikaner mit einem Eintritt in den US-Markt verbunden wäre, auf dem, was Rüstungsgüter angeht, das Prinzip buy american gilt. Rein zahlentechnisch gesehen profitiert also die Kieler Werft durch die Übernahme der Amerikaner.

Militärtechnologisch gesehen könnte dieser Deal mit einer weiteren Zementierung der US-amerikanischen Hegemoniestellung verbunden sein. Das haben sogar deutsche Politiker begriffen, die fürchten, daß Europa die wehrtechnische Basis verlorengeht. Mit U-31 droht ein, so das Verteidigungsministerium, "Filetstück wehrtechnischer Kompetenz" in die Hände der US-Amerikaner zu geraten.

Was nun ist das Besondere an der U-Boot-Klasse 212? Kurz gesagt sein Antriebssystem. An die Stelle der Batterien tritt ein außenluftunabhängiger Antrieb durch Brennstoffzellen, welche aus Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugen. Das Boot kann deshalb wochenlang unter Wasser bleiben und erzeugt dabei kaum Geräusche und nur in sehr begrenztem Umfang Abwärme. Weitere revolutionäre Eigenschaften weist diese U-Boot-Klasse im Hinblick auf die Rumpfform, den Antrieb, die Tauchfähigkeit und die Feuerkraft auf. Mit anderen Worten: dieses U-Boot verfügt über Eigenschaften, die die bisherige Dominanz der Atom-U-Boote in Frage stellen könnten. Zum ersten Mal erreicht ein konventionelles U-Boot Eigenschaften, die bisher nur Atom-U-Booten vorbehalten waren. Eigenschaften meint hier: Die U-Bootklasse 212 eignet sich wie die Atom-U-Boote als Plattform für Marschflugkörper, ist diesen aber durch seine revolutionären Unterwassereigenschaften überlegen.

Damit wird transparent, was die US-Militärstrategen umtreibt: die Verbreitung dieses (obendrein, im Vergleich zu den Atom-U-Booten, kostengünstigen) U-Boot-Typs muß verhindert werden. Verhindert werden muß weiter, daß die eigenen Atom-U-Boote zu potentiellen Zielscheiben für diesen neuen U-Boot-Typ werden. Verhindert werden muß schließlich auch, daß dieser U-Boot-Typ zu einer offensiven Waffenplattform werden könnte.

Nach dem Versuch, sich über einen Kauf der spanischen Waffenschmiede Empresa Nacional Santa Bárbara, die den deutschen Panzer Leopard 2 in Lizenz fertigt, dessen Technik anzueignen, bedeutet die Affäre um "U 31" den zweiten öffentlich bekannt gewordenen Versuch der Amerikaner, einen mißliebigen europäischen Konkurrenten auszubremsen. Daß die Amerikaner ihr Ziel inzwischen fast erreicht haben, ist vor allem ein "Verdienst" von Ex-Babcock-Vorstand Lederer, dessen Denkweise militärstrategische Erwägungen offensichtlich völlig fremd zu sein scheinen. Vielleicht hat der promovierte Ingenieur Lederer aber auch bei Ralph Peters nachgelesen, daß die USA in der Lage seien, der Welt dauerhaften Frieden zu bringen. Dieser Friede basiere nach Peters auf amerikanischen Bedingungen, die nicht verhandelbar seien.

Dank Professor Lederer dürften wir dieser Friedensvision wieder ein Stück näher gekommen sein. Nicht auszudenken wäre es nämlich, wenn U-Boote der Klasse 212 in Hände gelangten, die den Amerikanern nicht genehm sind. Die pax americana könnte nachhaltig in Gefahr geraten.


 
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