© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/02 28. Juni 2002

 
Hagen im Edel-Comic
Jimmy Stepanoff gestaltete das Nibelungenlied neu
Claus-M. Wolfschlag

Ein alter Stoff in neuem Gewand? Das Nibelungenlied auf neuen Pfaden? Betrachtete man sich eingehend den 1995 von Jordi Mota und Maria Infiesta herausgegebenen Band "Das Werk Richard Wagners im Spiegel der Kunst", so konnte man derartige Ansätze bereits in der Vergangenheit entdecken, beispielsweise bei Ul de Rico oder Ramón Muns Vilaró.

Nun hat sich ein ungewöhnlicher Künstler an eine gestalterische Neubehandlung des Nibelungenstoffs gewagt: Jimmy Stepanoff, geboren 1959 in St. Georgen/Banat, arbeitete nach seiner Ausbildung als Maler und Graphiker in München für verschiedene Verlage und Agenturen. Ende der siebziger Jahre begann er für internationale Filmproduktionen künstlerisch zu arbeiten, unter anderem für die "Unendliche Geschichte". Seit einigen Jahren widmet sich Stepanoff wieder der Malerei und den Windungen der europäischen Kulturgeschichte.

Im Rahmen dieser Grundorientierung begann er sich wieder der Rezeption und künstlerischen Umsetzung des "Nibelungenliedes" anzunehmen, mit dem er sich schon 20 Jahre beschäftigt hatte. Mit einer szenographischen Neu-Umsetzung und Illustration wollte er zeigen, daß es den klassischen Stoffen weder an Aktualitätsbezügen noch an Vielschichtigkeit mangelt.

Stepanoffs Kunst gelingt die schwierige Balance zwischen populärer Gefälligkeit und ästhetisierter Raffinesse meisterhaft. Ansatzweise wirkt sie wie eine stringente Fortentwicklung spanischer Edel-Comics der siebziger Jahre, beispielsweise eines Esteban Maroto, besticht dennoch durch ihre Einzigartigkeit, die fast vergleichslose Reife der Ausführung. Fein gestrichene Zeichnungen beschreiben die Handlungsabläufe der Nibelungengeschichte. Schlüsselsituationen wurden als farbenprächtige Gemälde in Acryl und Tempera ausgeführt.

Stepanoffs Bilder entführen in eine mysteriös wirkende Welt, in der eine diffuse, mit meist rötlichem, warmen Licht durchbrochene Atmosphäre die Gegenstände zu verschlingen scheint, um die Körper der Schicksalsträger meist fragmentiert wieder aus ihrem Nebel erwachsen zu lassen.

Eingehend beschäftigten sich Stepanoff und sein Mit-Autor Niko Klaussmann dabei mit den dargestellten Charakteren des Nibelungenstoffes und der teils problematischen Rezeptionsgeschichte. Respekt zollt Stepanoff dabei vor allem dem oft mißverstandenen Hagen, der als "durch und durch konservativer Charakter, in einem wertneutralen Sinn" interpretiert wird: "Kein Ausgrenzer, aber an ein Wertesystem, an Achtung und Respekt für Ordnungsprinzipien gebunden. Alles ist diffus geworden, das Besondere verschwindet in einem Meer des Allgemeinen. Damit meine ich nicht, Idyllen aufrechtzuerhalten, aber Universen im Kleinen zu schützen. Das Burgundenreich scheint mir wie ein früher Stadtstaat, eine Einzelzelle, die es zu verteidigen gilt. Das hat schon interessante Verbindungen zur Gegenwart, in einer klein gewordenen Welt laufen bestimmte Orientierungsangebote Gefahr, überrollt zu werden. Daraus nährt sich die Angst vor dem Fremden."

Stepanoff wehrt sich dabei gegen allzu vordergründige Instrumentalisierungen des Stoffes. Allerdings habe die Aneignung des mittelalterlichen Stoffes zu einem spezifisch deutschen Rahmen seines Wirkens geführt, mit allen auch tragischen Konsequenzen: "Eine deutsche Eigenschaft liegt ja womöglich in der übertreibenden Anstrengung, alles noch besser, intensiver, gründlicher zu machen. Konsequenterweise macht man dann auch Fehler mehrmals, damit man sie 'perfekt' beherrscht, bis in den Untergang. Das läßt sich durchaus aus dem Stoff ableiten."

Bislang sind zwei Bände Stepanoffs erschienen, die Erzählung der Jugend Siegfrieds in Xanten und eine Schilderung der Nibelungen-Unterwelt. Es sollen in nächster Zeit noch drei weitere folgen, darunter die Geschichte von Siegfrieds Tod und der Untergang der Burgunder am Hofe Etzels.

Das Projekt "Nibelungen" der Kulturmanagementagentur "Artenvielfalt" ist bis Ende 2003 auf historischen Spuren des Nibelungenliedes in Form einer Ausstellungsreise zu bewundern. Vom 30. Juni bis 13. Juli wird die Ausstellung mit 70 Arbeiten Stepanoffs im bayerischen Plattling zu sehen sein, im Oktober dann in Worms. Weitere Ausstellungsziele sind 2003 Xanten, Passau und Esztergom/Ungarn.

 

Jimmy Stepanoff: Die Nibelungen. Das geheime Königreich 1. Buch Xanten / Die Nibelungen. Das geheime Königreich 2. Der Nibelungenhort, erhältlich bei Artenvielfalt Kulturmanagement, Westenriederstr. 43, 80333 München. Info im Internet: www.artenvielfalt.de 

 

Bildtext: Nächtlicher Besuch - Schwangere Brunhilde am Grabe Siegfrieds


 
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