© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002

 
Kolumne
Cui bono?
Heinrich Lummer

Offenbar haben die Strategen der SPD kein Kaninchen mehr im Zylinder. Damit liegen die Chancen für einen politischen Wechsel in der Luft. Und genau in diesem Moment beschließt die Schill-Partei gegen den Willen des Vorsitzenden die Beteiligung an der Bundestagswahl - unorganisiert, unvorbereitet, ohne Geld und Programm. So könnte Schill Schröders Hoffnung werden. Ein fataler Gedanke.

Die Sorge ist nicht unbegründet. Zwar ist die Schill-Partei im Gegensatz zur NPD koalitionsfähig und nicht rechtsextrem, aber es könnte ähnlich sein wie 1969. Damals wählten 4,3 Prozent NPD und ermöglichten damit Brandt die Kanzlerschaft, obwohl die CDU/ CSU mit 46,1 Prozent stärkste Fraktion geworden war. Das linke Lager war nicht stärker geworden, aber das rechte geschwächt. Und die FDP hatte sich abgesetzt. Einerseits profitiert auch das jeweils gegnerische Lager von der Aufteilung der Stimmen, die für Gruppen abgegeben werden, die unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze bleiben. Denn diese Stimmen werden anteilsmäßig allen im Parlament vertretenen Parteien zugeschlagen. Die Stimmen für die Schill-Partei gingen also weitgehend dem "Bürgerbündnis" verloren, wenn die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschritten würde. Davon muß man aber nach Lage der Dinge ausgehen - eine unsolide Vorbereitung, Streit in der Führung und die relativ kurze Frist minimalisieren die Chancen. Wenn sich aber nach dem gescheiterten Parlamentseinzug der Sachsen-Anhalt-Wahl erneut ein erfolgloser Anlauf ergibt, dann wird schon die Erfolglosigkeit ein Grund sein, die Zukunftsaussichten dieser Partei zu dämpfen, denn das beste Mittel zum Erfolg ist bekanntlich der Erfolg.

Offenbar ist in der Schill-Partei das geschehen, was der Vorsitzende mit dem Hinweis auf "Glücksritter" und "überproportional viele Querulanten" andeutete. Diese Gruppe der Frustrierten hat offenbar erfolgreich den Aufstand geprobt und sowohl Vorstand wie auch Vernunft überstimmt. Das alles sieht nach Größenwahn aus. So möchte man hoffen, daß sich bei den Wahlvorbereitungen die Einsicht einstellt, eine solide Vorbereitung mit Erfolgschancen könne nicht mehr geleistet werden. Es wäre nämlich verdammt bitter für unser Land, wenn der mögliche Wechsel nicht stattfindet, weil ein Haufen von Frustrierten unvorbereitet in den Wahlkampf geht. Das kann nicht gutgehen. Wie so oft stellt sich die staatsmännische Frage Ciceros nach dem Cui bono? In diesem Falle nützt es jedenfalls den Falschen - und das möge Schill verhüten.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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