© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/02 05. Juli 2002

 
Pragmatisch durchgewurstelt
Umweltpolitik: Die Naturschutzorganisation BUND zieht eine zwiespältige Bilanz von vier Jahren Rot-Grün
Volker Kempf

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) hegte hohe Erwartungen an den Regierungswechsel in Bonn 1998. Denn die Kohl-Regierung stand nach Ansicht des BUND für umweltpolitischen Stillstand, und die Schröder-Regierung versprach eine "entschlossene Reformpolitik" für eine "ökologische Modernisierung" Deutschlands. In der Koalitionsvereinbarung war dann auch davon die Rede, sich "am Leitbild der Nachhaltigkeit orientieren" zu wollen, also daran, daß die Gegenwart möglichst wenig auf Kosten der Zukunft wirtschaftet. Was aus diesem hehren Anspruch nach knapp vier Jahren geworden ist, hinterfragt der BUND unter dem Titel "Vier Jahre Rot-Grün. Eine umweltpolitische Bilanz".

Auf 43 Seiten stellt der 1975 gegründete BUND unter dem Vorsitz von Angelika Zahrnt der Schröder-Regierung ein "zwiespältiges Umweltzeugnis" aus: "In den umweltpolitischen Ergebnissen dieser vier Jahre spiegelt sich die Konfrontation zweier sehr unterschiedlicher Koalitionspartner wieder: zum einen die Grünen mit ihrer bei aller Realpolitik tiefverwurzelten Idee einer nachhaltigen Entwicklung. Zum anderen die SPD, die in umwelpolitischer Sicht sehr uneinheitlich ist ... Statt durch überzeugende umweltpolitische Visionen zeichnet sich die Partei vorrangig durch pragmatisches Durchwursteln aus." Mit letzterem ist vor allem Kanzler Gerhard Schröder gemeint, der mit seiner Richtlinienkompetenz den politischen Gestaltungsauftrag "einer kurzsichtigen Trendpolitik" geopfert habe. Die verfolgte Kombination aus Wirtschaftswachstum und Effizienzsteigerung sei im Ansatz unzureichend.

Eines der markantesten umweltpolitischen Projekte war die Öko-Steuer; mit ihr habe die Bundesregierung einen notwendigen Wandel "eingeläutet", weil erstmals externe Umweltkosten in die Energiepreise eingeflossen seien. Es sei ein ehrgeiziges Ziel gewesen, die Lohnnebenkosten mittels Ökosteuereinnahmen von 42,3 auf unter 40 Prozent zu senken. Die regulären Ökosteuersätze für Heizöl (4 Pfennig), Erdgas (0,32 Pfennig) und Strom (2 Pfennig) seien angemessen gewesen, wenn sie über mehrere Stufen fortgeführt worden wären.

Die jährlich 6 Pfennig Mineralöl-Steuer je Liter werden als "enttäuschend gering" bezeichnet. So sei die angestrebte Senkung der Lohnnebenkosten nicht zu realisieren gewesen. Während die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung 1999 noch um 0,8 Prozentpunkte hatten gesenkt werden können, seien es 2000 nur noch 0,2 Punkte gewesen, und Anfang 2002 sei durch die Ökosteuer lediglich ein ansonsten notwendiger Anstieg vereitelt worden. Damit sei die Aufkommensneutralität der Ökosteuer nicht hinreichend sichtbar geworden, was ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung geschadet habe. Hier reihe sich ein, daß die Ökosteuer sozial schwache Menschen überproportional treffe. Gleichzeitig würden die Unternehmen nur 40 Prozent der Ökosteuerlast tragen, aber zu 50 Prozent von der Senkung der Rentenbeiträge profitieren. Diese Schieflage müsse korrigiert werden.

Was den ökologischen Effekt der Steuerreform betreffe, sei in Verbindung mit den gestiegenen Ölpreisen im Jahr 2001 der Kraftstoffverbrauch um 5 Prozent zurückgegangen, während er in den Jahren zuvor noch angestiegen sei. Umweltschädlich sei hingegen die neue Entfernungspauschale von 35-40 Cent pro Kilometer, weil damit der Anreiz zum verkehrsfördernden Umzug aus den Städten ins Umland verstärkt werde. Nicht einzusehen sei, daß Kernbrennstäbe von der Besteuerung ausgespart wurden und die Kohle weiter mit Milliarden subventioniert werde.

Positiv äußert sich der BUND über die "begonnene Wende in der Agrarpolitik unter Federführung von Renate Künast". Die neue Ministerin habe es aber versäumt, das seit Jahren von der Agrarlobby dominierte Ministerium grundlegend zu reformieren. Denn es sei problematisch, neue Politik mit einem alten Apparat zu machen, der schon für den Skandal um nicht weitergeleitete Informationen zu antibiotikaverseuchtem Fischmehl und Kalbfleisch verantwortlich sei. Der Nitrofen-Skandal ist in dem Papier noch nicht berücksichtigt.

Im Bereich Verkehr sei zwar in die vergleichsweise umweltfreundliche Bahn investiert worden; dem stünden aber Rekordinvestitionen im Straßenbau gegenüber. Dadurch werde die Landschaft weiter zerschnitten. In der Biotechnologie sei eine drohende gentechnische Kontaminierung aller Lebens- und Futtermittel nicht angegangen worden. Besonders enttäuscht zeigt sich der BUND über den "sogenannten Atomausstieg", weil er "unnötig lange Restlaufzeiten" beinhalte. Immerhin seien alternative Energien gefördert worden. Damit sei Deutschland bei der Windenergienutzung nun Spitzenreiter.

Das Papier des BUND spricht der Bundesregierung ab, eine "Politik aus einem Guß" gemacht zu haben. Die größte Enttäuschung seien aber die Oppositionsparteien der früheren Kohl-Regierung gewesen, weil sie sich umweltpolitisch "rückwärtsgewandt und kontraproduktiv" verhalten hätten. Im Kampf gegen die Ökosteuer habe ein beispielloser Populismus getobt: "Während die CDU in ihrem Grundsatzprogramm erklärt, sie strebe eine ökologische Marktwirtschaft und ökologisch ehrliche Preise an, feierte die umweltpolitische Unvernunft bei ihr fröhlich Urständ, als die rot-grüne Regierung eben diese Preise einführte."

Die PDS hingegen habe SPD und Grüne in Verlegenheit zu bringen gewußt, indem sie deren eigene Anträge aus Oppositionszeiten erneut eingebracht habe. Die Erfahrung lehre aber, daß die PDS zwar geschickt ihre Oppositionsrolle wahrnehme, aber in Regierungsverantwortung, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, auch nicht viel zu bieten habe. 


 
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