© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002

 
Großkonzerne werben für Klimaschutz
Sonnenenergie: Immer mehr globale Energieunternehmen setzen mit der Initiative "e-mission 55" auf Alternativen zu Öl und Gas
Franz Alt

Bislang 170 Großunternehmen haben sich weltweit zusammenge-schlossen, um etwas zu tun, was Unternehmern kaum zugetraut wird: sie unterstützen jetzt vor dem Erdgipfel in Johannesburg Klimaschutzmaßnahmen zum Teil gegen ihre eigenen Regierungen - "e-mission 55" heißt die Initiative. Die Firmen - unter ihnen die Deutsche Telekom und die Schweizer ABB - haben insgesamt einen Jahresumsatz von 200 Milliarden Euro und werben in diesen Wochen für den "Geist von Kyoto". Sie wollen, daß möglichst viele Regierungen möglichst rasch das Kyoto-Klimaschutz-Protokoll unterschreiben. Damit dieses Protokoll bis zum Johannisburg-Gipfel Ende August in Kraft treten kann, müssen 55 Regierungen unterschrieben haben, deren Länder zusammen 55 Prozent der Treibhausgase emittieren. Deshalb "e-mission 55".

Noch fehlen die Unterschriften so großer Länder wie Rußland und Kanada - die USA unter George W. Bush verweigern sich grundsätzlich. Aber jetzt besteht Hoffnung, weil allein in Kanada inzwischen mehrere Dutzend Firmen der "e-mission 55" beigetreten sind.

Geradezu sensationell mutet an, daß die Ölkonzerne BP und Shell die Aktion unterstützen. BP-Chef Lord John Brown erklärte kürzlich, daß sein Konzern die Treibhausgas-Emissionen seit 1990 um zehn Prozent reduziert habe. Weitere fünf bis acht Prozent sollen bis 2010 erreicht werden. Bemerkenswert ist diese Aussage des BP-Chefs der in England von Journalisten zum "Umweltmanager des Jahres" gekürt wurde: "Wir haben unser Ziel ohne zusätzliche Kosten erreicht, da die Einsparungen wegen der verringerten Energiezufuhr und der gesteigerten Effizienz alle damit verbundenen Kosten aufgewogen haben." Klimaschutz zum Nulltarif durch einen Ölkonzern! So etwas animiert auch andere zum Mitmachen. BP beweist damit, daß große Unternehmen selbst umsetzen können, was sie sonst immer von der Politik fordern: marktgerechte Flexibilität.

Bei BP wurde besserer Klimaschutz durch ein modernes ökonomisches Instrument erreicht - durch internen CO2-Zertifikatenhandel. Das heißt: Klimaschutzmaßnahmen werden im eigenen Betrieb vor allem dort durchgeführt, wo sie besonders preiswert und praktikabel sind. Per Gutschein wird dann der billigste Einsparüberschuß an andere weniger sparsame Firmenbereiche verkauft. Brown: "Das funktioniert. Wir sind positiv überrascht." BP hat auch ehrgeizige Ziele bei der Produktion von Techniken für erneuerbare Energien. Bei der Herstellung von Photovoltaik-Anlagen zum Gewinnen von Sonnenstrom ist BP bereits Weltmarktführer.

Die modernste Solarzellenfabrik der Welt hat der Ölmulti Shell in Gelsenkirchen gebaut. Außerdem plant Shell jetzt den Einstieg in die Windradtechnologie im großen Stil. Ausgerechnet der Öl-Gigant will einen der ersten "Off-Shore-Windparks" in der Nordsee aufstellen. Shell bewirtschaftet außerdem bereits Waldflächen von rund 200.000 Hektar, um in das Geschäft der umweltfreundlichen Energieproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen einzusteigen.

Shell und BP haben in den USA spektakulär eine Koalition von Energie-Unternehmen verlassen, die Präsident Bush in seiner Anti-Klimapolitik unterstützten. BP-Chef Brown will bis 2007 mit Solarzellen schon ein Umsatzvolumen von einer Milliarde Euro erzielen und bis 2010 Brennstoffzellen für Wasserstoffautos produzieren. Diese Autos fahren dann ohne Treibhausgasproduktion, sogenannte Null-Emissionsautos. In internen Energieszenarien geht die Shell AG davon aus, daß bis zur Mitte des Jahrhunderts zwei Drittel aller Energieverbräuche weltweit aus erneuerbaren Energiequellen stammen, während die Ölproduktion dann nur noch 20 Prozent gemessen an den heutigen Ölverbräuchen betragen wird. "Wir werden Sonnenkonzerne", sagen BP- und Shell-Vorstände übereinstimmend. Sie sagen das weniger aus Klimaschutzgründen. Sie wissen vielmehr, daß ihnen der alte Stoff ausgeht. Schon in wenigen Jahren ist etwa die Hälfte aller globalen Öl- und Gasvorkommen verbraucht. BP-Chef Lord Brown: "BP heißt heute noch British Petroleum, bald aber steht BP für Beyound Petroleum, für Nach-Öl-Zeitalter."

Noch größere Erfolge beim Energieeinsparen und damit bei der Reduktion von Treibhausgasen weist die Deutsche Telekom nach, die ebenfalls Mitglied bei "e-mission 55" ist. Die Telekom zeigt in ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2001 überzeugend auf, wie bei einem großen Unternehmen Energieeinsparung und Energieeffizienz funktionieren kann: von 1995 bis 2001 wurden danach der gesamte Energieverbrauch um 21 Prozent und die CO2-Emissionen um 27 Prozent reduziert. Von 2000 bis 2001 wurde der Stromanteil aus regenerativen Quellen mehr als verdoppelt und der Atomanteil halbiert. Der größte Fortschritt bestand allerdings darin, daß innerhalb eines Jahres der Anteil des gesamten Stromverbrauchs aus Kraft-Wärme-Kopplung von 22 Prozent auf 59 Prozent erhöht und Strom aus fossilen Quellen von 41 Prozent auf 18 Prozent reduziert werden konnte. Das ist beispielhaft.

Wenige Wochen vor Beginn des Erdgipfels in Johannesburg Ende August überraschen einige Wirtschaftsmanager und Weltkonzerne mit neuen Plänen zum Klimaschutz. Dazu der oberste Umweltschützer der Welt, Klaus Töpfer (CDU), als Chef der UN-Umweltbehörde in Nairobi: "Die Wirtschaft ist beim Klimaschutz weiter als die Politik." Zum Einwand von George W. Bush: "Klimaschutz ist für die US-Wirtschaft zu teuer" stellt der ehemalige Bundesumweltminister Töpfer die Gegenfrage: "Wie teuer wird es erst, wenn wir das Klima nicht schützen?"

 

Dr. Franz Alt ist Journalist und moderierte von 1972 bis 1992 das ARD-Magazin "Report". Seit 2000 ist er Leiter der 3sat-Sendung "Grenzenlos". Zum Thema Energie schrieb er "Das ökologische Wirtschaftswunder - Arbeit und Wohlstand für alle" und "Der ökologische Jesus - Vertrauen in die Schöpfung". Weitere Informationen gibt es auf: www.sonnenseite.com 


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen