© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/02 12. Juli 2002


JF intern
Gepflegte Streitkultur

Was ist der Unterschied zwischen einer Redaktionssitzung und einer Gruppentherapie? Für die Therapiestunde müssen die Teilnehmer bezahlen, für die journalistische Arbeit werden wir bezahlt. Also muß man sich schon etwas zusammenreißen. Anschreien ist nur erlaubt, wenn es um den Nahost-Konflikt geht. Oder um den Internationalen Strafgerichtshof. Es gibt einfach Themen, bei denen jede auch nur halbwegs geordnete Gesprächsstruktur zusammenbricht und sogar der Chef unterbrochen wird. Schon unterstellt man ihm ein "Amerika-Trauma": "Was immer Amerika unternimmt, Du forderst das Gegenteil." - "Hat Dein Vater Elvis gehört?", würde man jetzt in der Gruppentherapie fragen. Wir haben für solche Nachforschungen leider keine Zeit.

Leicht unterentwickelt ist in der JF-Redaktion auch die Tugend, sich gegenseitig respektvoll aussprechen zu lassen. Während die einen ohne Punkt und Komma reden und partout keine Ende finden wollen, haben andere Kollegen Mühe, überhaupt zu Wort zu kommen. Die Chuzpe des Lautesten sticht das Argument der Leisen. Nur bei einem Thema werden alle verdächtig still, wenn nämlich die Geburtenrate mal wieder gesunken ist und jeder sich an die eigene Nase fassen soll. Thorsten Thaler


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