© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Nur keine Eile
von Heinrich Lummer

Bei der jetzigen Regierungskrise in der Türkei geht es nicht zuletzt um die Frage der Beitrittsverhandlungen zur EU. Leider hat man vor einigen Jahren der Türkei den Status eines Kandidaten verliehen und damit unsolide Hoffnungen geweckt. Außenminister Cem sowie die Parteiführer Yilmaz und Ciller sind für den Beitritt, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile für die Türkei versprechen. Sie wollen jetzt die vermeintlich notwendigen Reformen im Lande vorantreiben, um die Europatauglichkeit zu beweisen. Eine EU-Mitgliedschaft jedoch sollte nach Lage der Dinge in absehbarer Zeit nicht in Frage kommen.

Ciller meinte jüngst, die EU sollte eine moslemische Türkei als Bereicherung verstehen, da ja das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen zu den Idealen Europas gehöre. Das aber ist Unfug. Denn gerade die Türkei hat sich als total unfähig erwiesen, anderen Kulturen und Minderheiten Raum zum Atmen zu geben. Gerade diese andere Kultur, die durch Masseneinwanderungen nach Europa käme, würde die europäische Identität langfristig zerstören. Eine Ausklammerung der Freizügigkeit nach einem Beitritt wäre nur für kurze Zeit möglich.

Die Europäer sollten sich nicht durch freche Sprüche aus der Türkei erpressen lassen. Wenn dort gedroht wird, sich anders zu orientieren, dann mag das sogar ein Vorteil sein. Denn ihre wirkliche Funktion könnte die Türkei als Brücke zwischen Europa und den Ländern des mittleren Ostens finden. Um diese Rolle zu spielen, braucht man nicht Mitglied der EU zu sein.


 
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