© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
Ortstafeln mit Dialekt
Italien: Umberto Bossis Lega Nord will die Identität der Regionen stärken
Beatrix Madl

Über die Frage nach einer Stärkung der italienischen Regionen bahnt sich in der italienischen Mitte-Rechts-Koalition möglicherweise ein neuer Streit an. Abgeordnete der Lega Nord, drittstärkste Kraft in Silvio Berlusconis Regierungskoalition, fordern jetzt Ortstafeln auf italienisch und in lokalem Dialekt. Demnach könnte auf den Ortstafeln von Mailand demnächst auch "Milan" neben "Milano" und "Berghem" neben "Bergamo" stehen.

Indem regionale Sprachen stärker berücksichtigt würden, könnte die lokale Identität der italienischen Regionen gefördert werden, argumentieren die Lega-Politiker in einem Schreiben an den italienischen Verkehrsminister Pietro Lunardi. Der christdemokratische Minister hat offenbar ein offenes Ohr für den Vorschlag. Er signalisierte Bereitschaft, vor allem in touristischen Ortschaften Tafeln sowohl in italienischer Sprache als auch im lokalen Dialekt aufstellen zu lassen. Dabei dürfe nur keine Verwirrung über die "offiziellen" Ortsnamen erzeugt werden. Wegweiser könnten hingegen nur den italienischen Namen anzeigen. Lediglich dort, wo die italienische Verfassung die Zweisprachigkeit anerkenne, dürften zwei Namen auf den Wegweisern stehen. Das betrifft Südtirol und das Aostatal.

Die Förderung regionaler Identität durch den christdemokratischen Minister auf Vorschlag von Abgeordneten der Lega Nord könnte bei den großen Koalitionspartnern Forza Italia und Alleanza Nazionale (AN) auf Unverständnis stoßen, sind diese doch zentralistisch ausgerichtet. Insbesondere die Lega Nord zeigt sich hingegen seit jeher als starker Fürsprecher der Regionen. Seit Jahren drängt die Lega Nord auf Unterricht in lombardischem Dialekt in den Schulen der norditalienischen Regionen. Die Partei organisierte bereits in mehreren Städten Kurse in lokalem Dialekt. Um ihre Ziele durchzusetzen, provozieren Mandatsträger der Lega schon einmal gern. So organisierte die Partei von Umberto Bossi vor Jahren Wahlen zu einem "padanischen" Parlament. Sie warb für die Abspaltung "Padaniens", eines norditalienischen Separatstaates, von Rom.

Als die norditalienische Region Lombardei kürzlich ihr Vorhaben bekanntgab, die Zeugnisse ausländischer Schüler in deren Muttersprache auszustellen, lief die Lega Nord dagegen Sturm. Der Lega-Vertreter im lombardischen Regionalrat, Davide Boni, setzte dem Vorhaben die Forderung nach lombardischen Zeugnissen entgegen: "Der Dialekt ist ein historisches Erbgut, das verteidigt werden muß. Die Lombardei ist zu lang von Rom kolonisiert worden. Jetzt ist die Zeit gekommen, unsere Traditionen wieder zu entdecken", erklärte der 39jährige gebürtige Mailänder.

Der Eifer der Lega-Vertreter zeigt auch Erfolge: Seit drei Jahren ist in Udine (friulanisch: Udin) dank des Lega-Bürgermeister Sergio Cecotti Friulanisch im Gemeinderat als gleichberechtigte Amtssprache neben Italienisch anerkannt. Das Friulanische ist nicht nur ein Dialekt, sondern gehört zur Familie der alpenromanischen Sprachen wie das Ladinische in Tirol oder das Rätoromanische im Schweizer Kanton Graubünden. In der Landshauptstadt der nordöstlichsten italienischen Region Friaul-Julisch-Venetien können sich die Bürger im Umgang mit allen öffentlichen Ämtern der Stadtverwaltung entweder der italienischen oder der friulanischen Sprache bedienen. Auch durch die Einführung einer italienisch-friulanischen Zweinamigkeit bei Orts- und Straßennamen haben die Gemeindeväter auf das friulanische Kulturerbe zurückgegriffen. Als vor drei Jahren über diese Aufwertung der regionalen Tradition im Gemeinderat von Udine abgestimmt wurde, enthielten sich die Vertreter der "postfaschistischen" AN der Stimme.

Den Südtiroler Toponomastik-Streit (Ortsnamensstreit) können die Lega-Leute mit ihren Initiativen aber nicht schlichten. Im dem ehemals österreichischen Land südlich des Brenners gibt es italienische und deutsche Namen für Ortstafeln und Wegweiser. Volkstumspolitiker laufen dagegen aber Sturm, da die italienischen Namen erst im 20. Jahrhundert, in der Mussolini-Zeit, geschaffen wurden. Die Südtiroler kannten vor der systematischen Italienisierung der zwanziger Jahre nur in der Nähe zur Sprachgrenze an der Salurner Klause einige italienische Bezeichnungen für deutsch besiedelte Dörfer und Straßen. Während des Faschismus wurden die ursprünglichen deutschen Namen dann verboten. Die Umbenennung war Teil eines Gesamtplanes zur Italienisierung Südtirols, den Senator Ettore Tolomei entworfen hatte. Nach der Zeit des Faschismus blieben die italienischen Phantasienamen in Südtirol amtlich gültig.

Wegen der Geschichte der italienischen Ortsnamen spricht die Landtagsabgeordnete Eva Klotz von der Union für Südtirol (UfS) von Zweinamigkeit, nicht von Zweisprachigkeit. Die Abschaffung der italienischen Ortsbezeichnung verstoße somit nicht gegen das Gebot der Zweisprachigkeit im Autonomiestatut, argumentiert sie.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen