© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/02 19. Juli 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Nach der "Befreiung" ab in den Gulag
Carl Gustaf Ströhm

Während der alliierten Besatzung Österreichs war die Enns, ein Nebenfluß der Donau, nicht nur Grenze zwischen zwei Bundesländern, sondern auch Demarkationslinie zwischen Ost und West: in Oberösterreich standen die Amerikaner, in Niederösterreich die Sowjets, Wien war viergeteilt. Beim Übergang wurde man scharf kontrolliert. Jeder spürte Unbehagen in der Magengegend, wenn bewaffnete Rotarmisten die Ausweise studierten.

Im Jahre 1948 ereignete sich an der Ennsbrücke ein Drama: Als der damalige österreichische Bundesminister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Peter Krauland, in seinem Wagen samt Fahrer nach einer Dienstreise in die US-Zone an den sowjetischen Kontrollposten heranfuhr und dort - wie alle Österreicher - überprüft wurde, verhafteten die Sowjets seine wichtigste Mitarbeiterin. Die Sektionschefin seines Ministeriums, Margarethe Ottilinger, wurde aus dem Wagen geholt und verschwand in der sowjetischen Baracke. Der ÖVP-Politiker kehrte ohne seine Beamtin nach Wien zurück.

Die damals 29jährige wurde in Moskau wegen angeblicher "Spionage" zu langjähriger Haft verurteilt und brachte sieben Jahre unter härtesten Bedingungen in sowjetischen Lagern zu. Als sie 1955 nach Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags "repatriiert" wurde, hatte sich die einstmals attraktive junge Frau in ein körperliches Wrack verwandelt. Auf der Tragbahre trat sie den Weg in die Freiheit an. Margarethe Ottilinger starb 1992 vergessen in Wien.

Ein anderer tragischer Fall: Gleich nach ihrem Einmarsch in Österreich 1945 (oder nach der "Befreiung", wie Bundespräsident Thomas Klestil es heute formulieren würde) verhafteten die sowjetischen "Organe" Hans von Buttlar-Elberberg, der als Wehrmachtsoffizier zum österreichischen Widerstand zählte und einige Wochen zuvor noch in den Händen der Gestapo war. Die Sowjets beschuldigten den Adligen der Spionage für den britischen Geheimdienst. Begründung: Buttlar-Elberberg war mit einer Tochter der bekannten Bier-Dynastie Guinness verheiratet. Das genügte, um ihn auf zehn Jahre in den Gulag zu verfrachten. Immerhin wurde er nach der Heimkehr Divisionär des Bundesheeres und österreichischer Verteidigungsattaché.

Kann man wirklich behaupten, daß für diese Menschen das Ende des Zweiten Weltkrieges eine "Befreiung" war? Dabei handelt es sich nur um zwei Beispiele von Tausenden. Was heute oft vergessen wird: das kommunistische Regime regierte durch Angst. Der 1990 verstorbene Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende Bruno Kreisky erzählte dem Verfasser dieser Zeilen einmal, daß sogar die österreichischen Regierungsmitglieder, die 1955 in einer sowjetischen Militärmaschine zu Verhandlungen nach Moskau geflogen wurden, ein gewisses Unbehagen verspürten: Würde man sie am Ende als "Konterrevolutionäre" oder "US-Agenten" verhaften?

Nicht in Österreich, wohl aber in der benachbarten Slowakei tritt laut Parlamentsbeschluß am 1. September ein Gesetz in Kraft, das die "Verharmlosung des Kommunismus" und das "Propagieren der kommunistischen Ideologie" verbietet und unter Strafe stellt. Ein neu gegründetes "Amt der nationalen Erinnerung", das in einem Jahr funktionsfähig sein soll, erhält die Aufgabe, die geheimdienstlichen Unterlagen aus der Zeit von 1939 bis 1989 zu sammeln und zu verwalten. Zumindest 30 Kilometer nordöstlich von Wien ist klar, daß der Kommunismus eine verbrecherische Ideologie war und ist.


 
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