© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   30/02 19. Juli 2002


Leserbriefe

Zu: "Mut zur Geschichte" von Alexander Barti, JF 29/02

Soziale Maßnahme

Der Bundestag hat sich überraschend eindeutig zum Wiederaufbau des Stadtschlosses in seinen barocken Außenfassaden bekannt. Um so erstaunlicher ist die weiterhin kleinmütige Haltung des Berliner Senats. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn der Wiederaufbau nicht nur als "optische Schöngeisterei" begriffen wird, den man sich nur in Zeiten voller Kassen leisten kann, sondern als reale, soziale Aufgabe. Sozial? Gerade linke Kräfte fühlen sich diesem Wort doch besonders verpflichtet. Gut und schön. Aber warum denken wir hier immer nur an finanzielle Zuwendungen, sei es als direkte Alimentationen an Einzelpersonen (Wohngeld, Hilfe zum Lebensunterhalt) oder an indirekte Unterstützungen, die der Lebenserleichterung der Bürger dienen (Kita-Plätze, Frauenprojekte)?

Warum immer so materialistisch? "Sozial" kann sich doch auch auf immaterielle Dinge der Gesellschaft beziehen. Warum also nicht auch auf ein Gebäude, das sich für die Stadt identitätsstiftend und somit zufriedenheitssteigernd auswirkt. Die Berliner leben lieber in einer schönen als in einer häßlichen Stadt. Auch ästhetische Umgebungsgestaltung kann eine soziale Maßnahme sein, da sie eine positive Einstellung der Menschen zu ihrem Kiez/ihrer Stadt/ihrem Land fördert. Gleiches gilt zum Beispiel für Denkmalschutz und die Förderung der Kunst. Und hier noch ein Schmankerl für die Materialisten: Der Prestigegewinn für Berlin durch den Schloßaufbau könnte so groß sein, daß allein die künftigen Touristen große Geldsummen in der Stadt lassen werden. Summen, die dann wieder in soziale Maßnahmen fließen können.

Markus Seebass, Berlin

 

Neues muß her

"Mut zur Geschichte" heißt nicht etwa Wiederaufbau der historischen Fassade, sondern Akzeptanz der - wenn auch tragischen - Entscheidung zur Sprengung der Ruine und demzufolge Mut zu zeitgenössischer Architektur, welche die ursprüngliche stadträumliche Funktion des Stadtschlosses für das Berlin des 21. Jahrhunderts interpretiert. Diese Architektur muß keine sich über jedes menschliche Maß (und Budget) hinwegsetzende Geste wie das Bundeskanzleramt sein; auch in der Hauptstadt gibt es gute Beispiele gelungener Bauten. Nutzen wir die Chance, uns selbst und der Welt eine attraktive Alternative zu bieten. Widmen Sie sich auch mal der zeitgenössischen Architektur. Und ändern Sie Ihr geradezu reflexartiges Verhalten, fast alles zu loben, was von gestern stammt.

Matthias Schiminski, Hildesheim

 

Geschichte darstellen

Überall wird gerätselt, was in das Berliner Stadtschloß hineingetan werden sollte. Ich freue mich immer bei Besuchen über den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, und wir alle wissen, welche Aufgabe diese Kirche wieder bekommt.

Berlin als preußische Hauptstadt Deutschlands erhält nun die Mitte wieder und ist jetzt wieder deutsche Hauptstadt, aber Preußen selbst ist nur noch ein virtuelles Land, weil ausgelöscht und vertrieben. Ein großer Teil der Preußen wohnt in anderen Landesteilen oder ist über die ganze Welt verstreut. Wir alle sollten daran arbeiten, daß der noch vorhandene Reichtum unserer Preußischen Geschichte der Provinzen Ostpreußen, Pommern und Schlesien und auch des ehemalig österreichischen Sudetenlandes in diesem neu erbauten Hause dargestellt wird. Damit hätten die 15 Millionen Preußen und ihre Nachkommen wenigstens ein Stück virtuelle Heimat im Berliner Stadtschloß und die Diskussion, wo denn nun ein Zentrum gegen Vertreibung entstehen sollte, hätte auch ein Ende.

Karl Gläser, Berlin

 

 

Zum Titelblatt "Der Rückfall", JF 28/02

Kaum zu fassen

In der Tat, es ist kaum zu fassen, Deutschland ertrank im schwarz-rot-goldenen WM-Fahnenjubel. Aber das eigentlich Skandalöseste dieses Rückfalls in nationalistisches Hurra (a la USA, Frankreich, Korea und Türkei) war die Tatsache, daß in Kneipen und auf vielen deutschen Plätzen vorwiegend Jugendliche spontan die Nationalhymne sangen, so zum Beispiel 20.000 vor dem Römer in Frankfurt am Main. Und nun wird ernstlich sogar in der Modeindustrie darüber nachgedacht, wie schnell man die amerikanischen Flaggen auf T-Shirts, Bikinis, Trainingsanzügen und anderem durch deutsche Farben ersetzen könne (BamS vom 7. Juli).

Darf man sich einer solchen Volksbewegung als rot/grün/gelb/schwarzer Politiker verschließen? Sind "Deutschland, Deutschland"-Rufe nun auch außerhalb von Fußballereignissen politisch korrekt? Oder müssen die Aufpasser beim Verfassungsschutz jetzt ihr Personal aufstocken? Darf man nun die deutsche statt der Ferrari-Flagge aus dem Fenster hängen, vielleicht sogar am 3. Oktober und am 17. Juni? Oder gilt die neue Marschroute nur während der derzeitigen Wahlkampfphase? Sagte da jemand etwas von "Populismus"? Man wird ja mal fragen dürfen, man ist ja völlig verunsichert.

Dr. Albrecht Giese, Emmelshausen

 

 

Zu: "Hauruck Aktion zur Wahl" von Jörg Fischer, JF 28/02

Sanierungsfall

Nach vier Jahren Rot-Grün in Berlin ist Deutschland zu einem Sanierungsfall geworden. Das totale Versagen in der Wirtschaftspolitik (Arbeitslosigkeit), in der Bildungspolitik (Pisa-Studie), der Ausländerpolitik (Zuwanderungsgesetz) und der Steuerreform (Schädigung des Mittelstands) soll nunmehr durch die sogenannte Hartz-Pläne vertuscht werden. Dabei sind die wenigen guten Ansätze darin bei der Union entliehen und mit Rot-Grün keinesfalls zu verwirklichen. Und wer behauptet, damit allein in drei Jahren die Arbeitslosigkeit halbieren zu können, zeigt nur, daß er in Wirtschaftsfragen absolut inkompetent ist. Nachdem Schröders Hoffnung, durch einen Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft sein Stimmungstief in der Bevölkerung zu heben, nicht aufgegangen ist, versucht er es mit dem gleichen Bluff wie 1998. Nur diesmal wird die Rechnung nicht aufgehen, da sich die Deutschen nicht für dumm verkaufen lassen. Deutschland braucht endlich den Wechsel. Deutschland braucht keinen Kanzler der leeren Versprechungen, sondern einen Kanzler der Taten!

Herbert Gaiser, München

 

Zynische Argumente

Gegenwärtige Argumente, daß es besser sei, dorthin zu gehen, wo Arbeit wartet, als dort auf Arbeit zu warten, wo keine ist und auch so bald keine kommen werde, sind zynisch gegenüber den arbeitslosen Mittel- und Ostdeutschen.

Die Bosse westdeutscher Konzerne sollten lieber in Mittel- und Ostdeutschland (und nicht im Ausland) Arbeitsplätze schaffen, statt hier Steuern zu zahlen. Und dafür werden den Konzernen noch Subventionen sonstwohin geblasen. Subventionen, die besser dem Mittelstand, also den kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen sollten. Denn die schaffen nämlich noch Arbeitsplätze in der Heimat und würden noch mehr schaffen, wenn die Förderbedingungen besser wären. Ein Unternehmer hat eine soziale Verantwortung, denn Eigentum verpflichtet dazu. Aber dieses Gewissen ist den Konzernbossen abhanden gekommen. Im übrigen ist eine Arbeitsmarkt-Kommission unter der Leitung eines Konzernvorstandes denkbar ungeeignet, die Probleme zu lösen. Anstatt mit Hilfe des Mittelstandes Arbeitsplätze zu schaffen, wird Druck auf Arbeitslose ausgeübt.

Torsten Schnierstein, Berlin

 

 

Zu "Eignung ohne Trauschein" von Steffen Königer, JF 28/02

Wohl der Kinder ist wichtig

Daß es Leute in einer christlichen Partei gibt, die in einer zweifachen ledigen Mutter keine Idealbesetzung für die Rolle als Familienexpertin sehen, kann nicht verwundern. Mit Nominierung von Frau Reiche rennen die C-Parteien, die das Sakrament der Ehe hochhalten und dem Verfassungsauftrag gemäß ihrem besonderen Schutz nachkommen sollten, dem vermeintlichen Zeitgeist hinterher, was Stammwählerstimmen kosten kann. Ihre Argumentation ist lächerlich. Was ist an der Ehe "veraltet"? Noch sind die ledige Mutter und das Kind als Verkehrsunfall nicht die Regel, sondern die Ausnahme, und das sollten sie, zumindest zum Wohle der Kinder, auch bleiben. Wenn schon alle anderen Politheuchler um der Macht willen ihre Grundsätze verleugnen, muß nicht auch die Union die von ihr erwartete Familienpolitik negieren, sondern sollte sich von polemischem Schwachsinn wie "Zwangsverheiratung" et cetera distanzieren. Was regt man sich über Möllemann auf, der mit seinen Äußerungen angeblich "am rechten Rande" grast, wenn die Union mit solchen Personalmätzchen ganz offensichtlich am linken Rande grasen will? Ohnehin ist Frau Reiche als Sachwalterin sorgenbeladener, arbeitender, lediger Mütter, die im gleichen Boot sitzen, angesichts ihrer und ihres derzeitigen Lebensabschnittspartners Diäten wenig überzeugend. Allein ihre steuerfreie Unkostenpauschale dürfte ein Mehrfaches des Nettosalärs einer ledigen Friseuse mit Kind betragen.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Integration als Existenzgrundlage" von Rolf Stolz JF 25/02

Absurde Diskussion

Rolf Stolz geht in seinem Artikel von einer deutschen Mehrheitsgesellschaft aus, in die eine ausländische Minderheit zu integrieren sei. Spätestens aber seit der Studie von Herwig Birg wissen wir: "Es kommt genau umgekehrt. In den Großstädten kippt bei den unter 40jährigen schon ab 2010 das Mehrheitsverhältnis Deutscher zu Zugewanderten. Integration bedeutet dann: Wie integriere ich mich als Deutscher in eine Mehrheitsgesellschaft aus Zugewanderten. Davon steht kein Wort in den Zuwanderungspapieren" (Interview mit Birg in der Welt vom 2. Januar).

Insofern geht der Artikel am Kern des Problems vorbei. Ist es nicht absurd, angesichts der Aussicht, auf absehbare Zeit zur Minderheit im eigenen Land zu werden, über die Integration von Zuwanderern zu diskutieren? Soviel ich weiß, urteilte das Bundesverfassungsgericht am 21. Oktober 1987: "Es besteht die Wahrungspflicht zur Erhaltung der Identität des Deutschen Staatsvolkes."

Obwohl die alarmierenden Ergebnisse der Birg-Studie weder Bundestag noch dem Bundespräsidenten verborgen geblieben sein können, schert man sich offenbar nicht um diese Wahrungspflicht, im Gegenteil, man wünscht ganz offen nur noch eine multiethnische "Bevölkerung" statt einem deutschen Volk - siehe Reichstagsinschrift. Wenn es die Möglichkeit gibt, die Wahrungspflicht für die Identität des deutschen Staatsvolkes juristisch durchzusetzen, dann müssen sofort entsprechende Schritte unternommen werden. Es geht um den Fortbestand unserer Nation - die Zeit läuft.

Rainer Ritzel, Mühldorf am Inn

 

 

Zum Leserbrief "Reaktionärer Unfug" von Manfred Bartz, JF 28/02

Erstaunliche Erkenntnisse

Die Kunst, über einen Artikel empört zu sein, ohne diesen gelesen zu haben, weil man diesen nicht lesen kann, versetzt in Erstaunen. Wenn dann noch die These vertreten wird, jeder Deserteur verkürze den Zweiten Weltkrieg, dann ist der Wunsch Vater des Gedankens, denn der Kampfwert eines Feiglings ist gleich Null.

Erheblicher Einfluß auf die deutsche Niederlage ging zweifellos von Verrätern und Saboteuren aus. Auch der deutsche Widerstand hat in Fehleinschätzungen der politischen Lage und der Kriegsziele der Alliierten erheblich dazu beigetragen. So glaubten noch die Attentäter um Oberst Graf von Stauffenberg an ein Deutschland in den Grenzen von 1939 einschließlich Südtirol und Elsaß-Lothringen. Zu diesem Zeitpunkt war von den Alliierten Mächten die Zerstückelung Deutschlands, die bedingungslose Kapitulation, Abtrennung von Ostdeutschland und Sudetenland, sowie die brutale Vertreibung der deutschen Bevölkerung längst beschlossene Sache. 

Hans Aufgebauer, Wehr

 

Partisanen sind Feiglinge

Nur in Deutschland dürfen Soldaten ungestraft als Mörder bezeichnet werden. Es ist meines Erachtens ehrenhaft, wenn Soldaten für ihr Land fair gekämpft haben und nicht für ein Regime. Feiglinge sind die Soldaten, die zu Partisanen überlaufen, die auf Befehl eines Verbrechers die ehrlichen Soldaten hinterrücks ermordet haben. Deserteure werden zu allen Zeiten von Freunden und Feinden mit Recht verachtet. Leider gibt es in allen Bevölkerungsgruppen Verbrecher, daraus aber auf die Allgemeinheit zu schließen, kann nur falsch sein. Es ist an dieser Stelle ganz einfach nur als politisch korrekt anzusehen. Aus eigener Erfahrung werden die lettischen Soldaten in der Waffen SS des letzten Krieges, die nicht nur für Hitler, sondern für ihr Land kämpften, selbst von den heute ansässigen Russen geachtet. Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. Dieser Spruch gilt auch in der Politik.

Herbert Hilpert, Schwelm

 

Diskriminierung

Hier werden all jene Soldaten der Wehrmacht diskriminiert, die bis zum bitteren Ende durchhielten. Deserteure und Überläufer werden zu Helden erhoben, obwohl ihnen Verachtung gebührt. Herr Bartz hat unkritisch die "Geschichte der Sieger" übernommen und war zu faul, sich mit der "Geheimen Geschichte" zu befassen, die die "wahren Ursachen der Geheimnisse" birgt, wie schon Honoré de Balzac erkannte. "Jede Desertation", meinte Herr Bartz, "trug dazu bei, daß der Krieg verkürzt wurde, weniger Menschen erschossen und Gebäude zerstört wurden." Somit ist ihm nicht bekannt, daß in Ostdeutschland die meisten Häuser, Burgen, Schlösser und andere Kulturdenkmäler erst nach dem 8. Mai 1945 zerstört worden sind. Auch ist ihm nicht bekannt, daß erst nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht die meisten Menschen im Osten Deutschlands ums Leben kamen. Nicht bekannt, daß erst nach Beendigung des Krieges Massenvergewaltigungen selbst an alten Frauen und kleinen Mädchen begangen wurden.

Für mich ist jeder Soldat der deutschen Wehrmacht, der zum Feind überlief oder anderweitig desertierte, ein jämmerlicher Wicht, der zu verachten und nicht zu rühmen ist. Wieviele unserer ostdeutschen Landsleute verdanken dem Durchhalten von Heer und Marine ihre Flucht über den rettenden Hafen Pillau in die Sicherheit! Darüber sollte sich Herr Bartz auch einmal Gedanken machen, bevor er uns "Durchhalter" verteufelt.

Friedrich Kurreck, Offenbach / Main

 

 

Zur JF allgemein

Meinungsakzeptanz

Bei der JUNGEN FREIHEIT handelt es sich sicher um ein äußerst rechts-konservatives, aber nicht rechtsradikales Blatt. Daher kann ich einer Überwachung durch den NRW-Verfassungsschutz nicht zustimmen. Dies war auch der Grund dafür, daß ich mich an der entsprechenden Unterschriften-Aktion beteiligt habe. Allerdings möchte ich dies nicht als eine grundsätzliche Zustimmung zu der politischen Richtung Ihrer Wochenzeitung gewertet wissen. Aber zur Demokratie gehört nun mal auch das Akzeptieren von Meinungen, die einem selber nicht "in den Kram" passen. 

Ralf Kersting, Aachen

 

Erster Eindruck

Ihre Zeitung kam heute und ein erstes Lesen verlief überraschend positiv. Der Drang nach Objektivität, ohne jedoch immer die politische Korrektheit zu verfolgen, zeichnet die Mehrzahl Ihrer Beiträge aus. Auch heiße Themen, wie das europäische Verhältnis zu Israel werden angenehm parteilos und moralisch tolerant behandelt. Es fehlte tatsächlich in der deutschen Medienlandschaft ein solcher Ton, wofür Sie mir erlauben sollten, Ihnen meine Gratulation auszusprechen.

Robert Pugler, Eckental


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