© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002


Familie
Der kleine Revolutionär
Dieter Stein

Da liegt er plötzlich. Lila angelaufen und ganz zerknautscht mit einem langgequetschten Kopf wie Nofretete. Mein Sohn, mein erstes Kind, mit einem großen Schwung auf der Welt. Eine Welt, die mit einem Mal auf dem Kopf steht. Mit klopfendem Herzen ist man nun ständig bei dem erst einige Tage jungen Leben, das noch unregelmäßig schnaufend aus kleinen Kulleraugen blickt.

Als Junggeselle wunderte man sich, weshalb junge Eltern plötzlich "von der Bildfläche verschwinden", abtauchen, sich zurückziehen. Sie sind nicht mehr dabei bei Kneipentouren, verzichten auf die Reise ans Mittelmeer mit Freunden, sondern ziehen ihre Runden mit Kinderwagen im Stadtpark. Stundenlang mit einem quengelnden, brabbelnden Wurm? Was soll das? Wo ist da die "Lebensqualität"? "Was bringt mir das", wird von vielen gefragt. Es fällt einem nun wie Schuppen von den Augen, wenn man ein Kind bekommt: Da ist er doch, der Sinn des Lebens! Daß es sich nämlich fortsetzt! Daß man weitergibt, was man empfangen hat!

Ein kleines Kind ist für diejenigen, die es empfangen, eine Revolution ihres Lebens. Alles steht Kopf, doch so soll es sein. Auf einmal stimmen die Kategorien wieder. Das Materielle tritt zurück, es ist egal, ob man in nächster Zeit noch in den Urlaub fährt, ins Kino geht - das Hetzen von einer Verabredung zur nächsten ist vergessen. Viel interessanter ist es, jeden Schritt des kleinen Menschen zu verfolgen.

Warum kommt es in unserem Land immer seltener dazu, daß Menschen sich dafür entscheiden, Leben in die Welt zu setzen? Ist das nicht die erste Aufgabe einer Gemeinschaft, daß sie dafür sorgt, daß sie sich fortsetzt? Daß alles dafür getan wird, daß das neuentstandene Leben geschützt, gehegt, wohlerzogen wird, eine schöne Umwelt vorfindet, eine lebensbejahende, kulturschaffende und bewahrende Heimat vorfindet?

Wenn man sich nun schlagartig die gegenwärtige Debatte im Wahlkampf um "Homo-Ehe" und sogenannte Familienpolitik anhört, wird einem klar, warum wir unter einer "demographischen Krise" leiden.

Unserer Gesellschaft, der abtrainiert wurde, sich als Volk zu verstehen, sind die wichtigsten Kategorien abhanden gekommen, ihr fehlt, wie es in einem gerne bemühten Bild heißt, der innere Kompaß. Es wird pausenlos über die versnobten Sonderprobleme gesellschaftlicher Randgruppen debattiert. Da verschwendet man kostbare Zeit dafür, allen Ernstes über das Adoptionsrecht für "Homo-Ehepaare" zu diskutieren, anstatt dafür zu sorgen, daß noch genügend junge Menschen überhaupt den Mut zu Ehe und Familie finden, Kinder zeugen und aufziehen.

Da tut man alles, Frauen einzureden, die "berufliche" Karriere sei der normale, Hausfrau und Mutter - als Nicht-Beruf diskriminiert - der Sonderweg. Wenn das ideale Modell zur Sicherung des Fundamentes einer menschlichen Gemeinschaft, intakte Ehe und Familie, zertrümmert wird, hat diese Gesellschaft den Untergang verdient und wird durch lebensfähigere abgelöst. Hoffen können wir nur auf eine Kursänderung - durch viele kleine Revolutionäre ...


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