© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
Ignorante Politik der Nötigung
Nahost-Konflikt: Für Israel und die USA ist Palästinenserführer Arafat bereits Geschichte
Michael Wiesberg

Letzte Woche hat sich das "Nahost-Quartett", bestehend aus Vertretern der USA, Rußlands, der EU sowie der Uno zu einer neuerlichen Gesprächsrunde in New York getroffen. Einmal mehr wurde die Schaffung eines selbständigen Palästinenser-Staates innerhalb der nächsten drei Jahre in Aussicht gestellt. Damit waren die Gemeinsamkeiten, über die in dieser Gesprächsrunde Konsens besteht, aber auch schon erschöpft. Ein offener Dissens herrscht vor allem in Hinblick auf die Frage, wie denn nun mit dem gegenwärtigen Vorsitzenden der palästinensischen Behörde, Jassir Arafat, zu verfahren sei.

Israel und sein Protégée USA lassen keinen Zweifel mehr daran, daß Arafat für sie "Geschichte" ist. Dies gilt insbesondere seit der Rede von US-Präsident Bush am 26. Juni diesen Jahres, in dem dieser eine neue Palästinenserführung forderte, die US-amerikanischen und israelischen Demokratisierungsvorstellungen entspricht. Der Wille der Palästinenser interessiert in diesem Zusammenhang weder die USA noch die Israelis. Mit ihrer Nötigungspolitik stehen die USA im Nahostquartett allerdings mehr oder weniger alleine dar. Die Europäer sind der Auffassung, daß Arafat nach wie vor der legitime Vertreter der Palästinenser sei. Ihre Sicht der Dinge wird von dem russischen Außenminister Iwanow und von UN-Generalsekretär Annan unterstützt. Die US-Politik der Nötigung wird auch durch die Erklärung von US-Außenminister Powell nicht abgemildert, der in einem Interview erklärte, Arafat könne durchaus die Rolle eines nominalen Staatspräsidenten spielen. Die eigentliche Macht müsse aber ein neuer Ministerpräsident in Händen haben.

Auch sonst haben die Amerikaner nichts Neues zu bieten gehabt. Der Terror müsse aufhören, so ist es stereotyp aus Washington zu hören, bevor über die nächsten Schritte nachgedacht werden könne. Entsprechend fiel denn auch die Erklärung des "Nahost-Quartetts" aus: Der Abzug der israelischen Truppen solle sich an der Sicherheitslage orientieren. Wann dies sein wird, bleibt ganz dem Ratschluß der USA und Israels vorbehalten.

Der Friedensplan, den Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien unterdessen vorgelegt haben, entspricht bei näherem Hinsehen im großen und ganzen den Interessen Israels und der USA. Auch dieser Plan sieht vor, daß Arafat auf rein repräsentative Funktionen beschränkt werden soll, was als Konzession an die USA bewertet werden kann. Für die palästinensischen Gebiete soll das neue Amt eines Ministerpräsidenten geschaffen werden. Weiter wird vorgeschlagen, daß der Palästinensische Nationalkongreß eine Verfassung verabschiedet, die eine parlamentarische Demokratie nach westlichem Vorbild vorsieht. Die drei Gewalten sollen geteilt und der Ministerpräsident vom Parlament gewählt werden.

Die auf Grund dieser Verfassung neu gebildete Regierung würde dann bei der Uno die Anerkennung eines palästinensischen Staates beantragen, dessen Hauptstadt Ost-Jerusalem sein soll. Bei der Grenzziehung wurde von dem Status vor den israelischen Besetzungen im Jahre 1967 ausgegangen; die endgültigen Grenzen des neuen Staates sollen in Verhandlungen mit Israel innerhalb von drei Jahren festgelegt werden. Es bedarf wohl keiner großen Phantasie, daß Israel bei den zuletzt genannten Forderungen zu keinerlei Konzessionen bereit sein wird. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, daß es in Israel einflußreiche Kreise gibt, die einen Palästinenser-Staat rundweg ablehnen.

Dies hat etwa die jüngste Entscheidung des Zentralkomitees des konservativen Likud-Blockes gezeigt, der einen entsprechenden Antrag des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der einer der schärfsten innerparteilichen Rivalen von Scharon ist, positiv beschied. Die derzeitigen Friedensbemühungen, dies zeichnet sich bereits jetzt ab, werden daran scheitern, daß der Regierung Scharon seitens der USA keine überzeugenden Zeichen für einen ehrlichen Verhandlungs- und Kompromißwillen abverlangt werden.

Letztes Beispiel dafür, wie sicher Scharon seiner Sache ist, ist die willkürliche Schließung des Büros von Sari Nusseiba in Ost-Jerusalem durch Sicherheitsminister Uzi Landau, der sich als "zionistischer Falke" einen Namen gemacht hat. Nusseiba gilt als gemäßigter palästinensischer Intellektueller, der sich gegen die Terrorstrategie der Extremisten ausgesprochen hat. Nichtsdestoweniger glaubte Landau, auch diese palästinensische Stimme ersticken zu müssen.

So kann es nicht weiter verwundern, daß auch in Hinblick auf die umstrittene israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten eine Wende nicht erkennbar ist. Die Aufgabe einiger verlassener Außenposten, die der Verteidigungsminister Ben-Eliezer wortreich zu kommentieren gewußt hat, ist nicht mehr als eine Propagandanummer der Regierung Scharon. Mehr wird dieser Regierung von der "westlichen Wertegemeinschaft" aber auch nicht abgefordert.


 
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