© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
WIRTSCHAFT
Mehr Macht als Mitglieder
Bernd-Thomas Ramb

Die Gewerkschaften kündigen für den 7. September eine Großkundgebung an. 14 Tage vor der Bundestagswahl wollen sie unter dem Motto "für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" der Partei Wahlhilfe leisten, bei der sie diese Ziele am besten vertreten sehen. Die Unionsparteien sind es nicht. Von deren Vorstellungen zur Reform der maroden deutschen Wirtschaft "halten wir praktisch nichts", so DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer. Dagegen ziele das SPD-Programm in die richtige Richtung. Wen wundert es, stehen diese Arbeitnehmervertreter doch traditionell in dem Ruf, meist verkappte Wahlhelfer der SPD zu sein.

Allerdings dürfte der faktische Einfluß der Gewerkschaftsbosse auf das Wahlverhalten der von ihnen vereinnahmten Arbeitnehmer kaum das beanspruchte Maß erreichen. Zu deftig fallen die Mitgliederverluste der letzten Jahrzehnte aus. Im Jahr 2000 waren nur noch 27 Prozent der abhängig Beschäftigten Mitglied in einer Gewerkschaft. Zehn Jahre zuvor waren es noch fast 33 Prozent. Mit ihrem Anspruch, im Namen der Arbeitnehmer zu sprechen, verweigern die Gewerkschaften schlicht die Selbsterkenntnis, daß nur noch einer von vier Beschäftigten Interesse an einer Gewerkschaftsvertretung besitzt. Um so ärgerlicher wird die Tatsache, daß der gesetzlich gesicherte Machteinfluß der Gewerkschaften unverändert hohe Dimensionen aufweist. Die legalistische Einflußnahme der DGB-Funktionäre auf zahlreiche gesellschaftliche Institutionen, insbesondere aber im quasi-staatlichen Fernsehen und Rundfunk, und vor allem die paritätische Mitbestimmung bei den Großunternehmen stehen in einem diametralen Gegensatz zum Umfang der freiwilligen Mitgliedschaft der Arbeitnehmer. Gewerkschaften offenbaren damit feudalistische Machtstrukturen.


 
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