© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/02 26. Juli / 02. August 2002

 
Frisch gepreßt

Erfindung Amerikas. An Untersuchungen über das USA-Bild deutscher Intellektueller herrscht kein Mangel. Fast lückenlos, von der Romantik bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts, haben fleißige Doktoranden in den letzten Jahrzehnten die vorwiegend kulturkritisch-ablehnenden Reaktionen deutscher Schriftsteller, Politiker und Wissenschaftler analysiert. Insoweit betritt der Bayreuther Soziologe Georg Kamphausen, Geschäftsführer der Amerika-Forschungsstelle an der fränkischen alma mater gewiß kein Neuland. Neu ist auch nicht, daß er die zentrale Rolle, die das "Schreckbild" USA für die Kulturkritik der "Generation von 1890" besaß, thematisiert. Ebensowenig originell ist seine Ausgangsthese, daß die doppelte Krisenerfahrung, die um 1900 europäische Intellektuelle erfaßt - der Zusammenbruch des christlichen Weltbildes und der politisch-ökonomische Bedeutungsverlust des "alten Kontinents" - zur Konstruktion jener "Gegenwelt" führte, die die aufsteigende Hauptmacht des modernen Kapitalismus in düsterstes Licht stellte. Für die gut bekannte "Physiognomie der Umbruchzeit", die ihren Anti-Modernismus auf die USA projizierte, sowie für die Darstellung weltanschaulicher Dispositionen der Generation von 1890 benötigt Kamphausen fast die Hälfte seines Buches, bevor er endlich (kurz) zur deutschen US-Wahrnehmung und (lang) zu "Max Weber und Amerika" gelangt, dem Herzstück , das sehr differenzierte, von gediegener Weber-Kenntnis zeugende Interpretation eines Klassikers politischer Philosophie bietet (Die Erfindung Amerikas in der Kulturkritik der Generation von 1890. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2002, 334 Seiten, 40 Euro).

Europäische Gedächtnisorte. Das Schwerpunkthema des jüngsten "Jahrbuchs für Europäische Geschichte" widmet sich der Frage, ob es eine gemeineuropäische Geschichtserfahrung gibt, ob sie sich vielleicht auch materialisiert haben könnte, in Erinnerungsorten, an denen sich jeder Deutsche, Schwede, Italiener zuerst als Europäer versteht. Das Ergebnis fällt auf der ganzen Linie negativ aus. Nicht einmal einen gemeinsamen "Erfahrungshorizont" hat die vielbemühte antike und christliche Überlieferung, die überall durch das Nadelöhr nationaler Rezeption gegangen ist, gestiftet (Heinz Duchhardt (Hrsg.), R. Oldenbourg Verlag, München 2002, 251 Seiten, 39,80 Euro).


 
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