© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/02 09. August 2002

 
Heiße Phase ohne Materialschlacht
Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Der Wahlkampf geht in die entscheidende Runde / Streit um eine umstrittene Äußerung über Zuwanderer beigelegt
Peter Freitag

Die Schill-Partei wird ab Mitte August die "heiße Phase" ihres Wahlkampfes einläuten. Am 16. August will der Parteigründer und Bundesvorsitzende Ronald Schill gemeinsam mit den Spitzenkandidaten der Partei in Berlin das in zehn Thesen zusammengefaßte Wahlprogramm vorstellen. Eine Materialschlacht in Form von Plakaten und Werbemitteln will und kann sich die junge und finanzschwache Partei allerdings nicht leisten.

Bundesweit will sich die Partei durch wöchentlich vollzogene Gründungen von Orts- bzw. Kreisverbänden und durch Informationsstände in den Städten ins Gespräch bringen. Zudem werden noch im August auf diversen Landesparteitagen wieder Landesverbände aus der Taufe gehoben, so in Niedersachsen am 17. August in Hannover, in Hessen am 24. August in Frankfurt und am 31.August in Berlin. Dort mußte die Schill-Partei allerdings bereits im Vorfeld einen Rückschlag verkraften, da der Landeswahlleiter elf der zwölf Direktkandidaten der Schill-Partei nicht zuläßt. Grund für diese Entscheidung ist die Tatsache, daß lediglich für den Wahlbezirk Mitte ein Gebietsverband der Schill-Partei existiert, der eine Kandidatin (Valeska Jakubowski) gültig nominieren konnte. Die übrigen Kandidaten dürften nur als Einzelbewerber und nicht als Schill-Kandidaten antreten, und hätten dafür Unterstützerunterschriften einbringen müssen. Die Partei will nun die Entscheidung des Landeswahlprüfungsausschusses abwarten, sagte die Landesbeauftragte Anke Soltkahn gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: "Unsere größte Chance liegt sowieso in einer Zweitstimmenkampagne".

Der hessische Schill-Ableger unter Führung des Rechtsanwalts Frank Bücken geht mit einem zwölf Punkte umfassenden Flugblatt in die Wahlkampf-Offensive. Neben Forderungen nach verstärkter Innerer Sicherheit stehen eine bessere Mittelstandsförderung, eine "leistungs- und wertorientierte Schulpolitik", eine Asylpolitik nach dänischem Vorbild und ein gerechteres Steuersystem im Forderungskatalog. Aber auch für ein "Recht auf positives Nationalbewußtsein", für eine nötige Assimilierung von Einwanderern sowie für die Einführung von mehr direkter Demokratie spricht sich die neue Partei in ihrem Flugblatt aus. Mit den letztgenannten Punkten hebt sich ihr konservatives Profil am deutlichsten auch vom Programm der Unionsparteien ab. Bücken bedauerte im Gespräch mit der JF, daß die Schill-Partei bisher nicht als eigenständiger Faktor in den Wahlumfragen erwähnt werde, obwohl sie laut Emnid immerhin schon bundesweit bei drei Prozent liege. Schaden könne der Partei nun eine Verschweigestrategie, der sie durch ihre begrenzten finanziellen Mittel wenig entgegenzusetzen habe.

Wer als Spitzenkandidat der Schill-Partei für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, die ebenfalls am 22. September stattfindet, antreten wird, war aus der Rostocker Parteizentrale bisher noch nicht in Erfahrung zu bringen. Unterdessen sorgte die Partei in ihrem Stammland Hamburg während der vergangenen Woche wieder einmal für unerfreuliche Meldungen, die von internen Streitigkeiten innerhalb der Bürgerschaftsfraktion handelten. Hintergrund war eine Äußerung des gesundheitspolitischen Sprechers Wolfgang Barth-Völkel, die er im Zusammenhang seiner Forderung nach medizinischen Untersuchungen von Zuwanderern getätigt hatte: "Ausländer, die an Aids, Hepatitis oder Tuberkulose erkrankt sind, sollten interniert oder am besten gleich ausgewiesen werden."

Nach einem Sturm der Entrüstung aus den anderen Parteien hatte dies vehemente Kritik auch in den eigenen Reihen hervorgerufen, der innenpolitische Sprecher der Schill-Fraktion, Frank Michael Bauer, hatte sogar mit einer Anzeige gegen Barth-Völkel wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gedroht. Am 31. Juli wurden die Wogen nach einer Intervention durch Schill und seinen Stellvertreter Mario Mettbach geglättet: Barth-Völkel, der auf Platz zwei der Liste für den Bundestag kandidiert, äußerte sein Bedauern darüber, das Wort "Internierung" benutzt zu haben und entschuldigte sich dafür "in aller Öffentlichkeit". In einem Gespräch mit Bauer wurde das "Mißverständnis" ausgeräumt und zur Versöhnung übergegangen. Rücktrittsforderungen seitens der Opposition aus SPD und GAL gegen Barth-Völkel, der dem Gesundheitsausschuß der Bürgerschaft vorsteht, wurden abgelehnt; auch der größere Koalitionspartner CDU sieht den Fall mit der Entschuldigung Barth-Völkels als erledigt an.

Unverändert hält die Schill-Partei aber an ihrer Forderung fest, daß Zuwanderer einem sogenannten "Gesundheitscheck" unterzogen werden sollen, bei dem die nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen Infektionskrankheiten (wie Hepatitis oder Tuberkulose) zu prüfen sind. Fraktionspressesprecher Marc März erläuterte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß die Partei hier einen Reformbedarf sieht: Sollte der Test positiv ausfallen, sei die betroffene Person in ein Krankenhaus mit nach den im Bundesseuchengesetz vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen einzuliefern. Die Infektion mit HIV ist nach derzeitiger Rechtslage nicht meldepflichtig. Überlegenswert sei auch, so März, eine Ausweitung des verpflichtenden Gesundheitschecks für Touristen, die aus Risikostaaten wieder nach Deutschland zurückkehrten. Mit der erforderlichen Sachlichkeit will die Schill-Partei die "notwendige Anpassung des Bundesseuchengesetzes an die Realität" nun als Programmpunkt in den Wahlkampf (und im Erfolgsfall in die Koalitionsverhandlungen) einführen. Dabei hat sie durch Barth-Völkels unbedachtes Vorgehen sicherlich dem politischen Gegner eine bedauerliche Steilvorlage zur Diskreditierung dieses an sich bedenkenswerten Vorschlags geliefert.


 
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