© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/02 09. August 2002

 
Noch keine rechte Internationale in Sicht
Europa: Treffen von Haider, Lega Nord und Vlaams Blok / Riess-Passer will aber Pakt mit Fini / Gemeinsame Kandidatur zur Europawahl?
Frank Philip / Jörg Fischer

Steht Jörg Haider vor dem Sprung nach Europa? Wird dem Vorreiter des europäischen Rechtspopulismus Österreich als politisches Feld zu eng? Möchte er als bewährter Eisbrecher die verkrustete europäische Parteienszene aufmischen, wie er es in Österreich getan hat?

Seit langem kursieren Gerüchte, der "heimliche" FPÖ-Chef plane eine verstärkte Zusammenarbeit verschiedener rechtspopulistischer Gruppen innerhalb der EU. Wie eine Bombe schlug nun vorletzte Woche die Nachricht ein, bei einem europapolitischen Symposium von Andreas Mölzer, dem Herausgeber der Wiener Wochenzeitung Zur Zeit, habe man erste Weichen gestellt.

An dem illustren Treffen im Hotel Seefels am Wörther See nahmen etwa fünfzig Personen teil, neben dem Kärntner Landeshauptmann Haider und dem FPÖ-Politiker und Volksanwalt Ewald Stadler, die Spitze des belgischen Vlaams Blok mit Filip Dewinter und Frank Vanhecke, der Lega Nord-Europaabgeordnete Mario Borghezio, ein Vertrauter Umberto Bossis, sowie Vertreter skandinavischer Rechtsparteien und des konservativen Flügels der regierenden spanischen Volkspartei.

Aus Deutschland waren der frühere Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU), Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP) und Joachim Siegerist von den Deutschen Konservativen angereist. Damit nicht der Eindruck eines "Geheimtreffens" entstünde, spazierte Haider mit seinen Gästen die Promenade vor dem noblen Schloßhotel einmal auf und ab.

Lummer, von Stahl und Siegerist mit in Kärnten

SPÖ und Grüne sprachen von einem "Skandal, daß Haider als Gastgeber rechtsextremer Kräfte agiert", und warnten, Kärnten werde zum "Aufmarschgebiet äußerst gefährlicher Kräfte". Dagegen zeigte sich die mit der FPÖ regierende ÖVP betont gelassen. Kanzler Wolfgang Schüssel und die ÖVP-Regierungsmitglieder sahen keine Veranlassung zu einem Kommentar, und der außenpolitische Sprecher Michael Spindelegger (OVP) äußerte, Haider könne treffen, "wen er will". Innerhalb der Freiheitlichen sorgten die Kontakte Haiders zum Vlaams Blok für Unruhe. Nach den Worten des FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky käme eine Zusammenarbeit mit den flämischen Nationalisten "nicht in Frage".

Seine Kollegin im EU-Parlament, die frankophile Daniela Raschhofer, geißelte den "Rechtsextremismus des Vlaams Blok", worauf Haider sie als "ein bißchen ein Opfer der politisch korrekten Tugendgesellschaft in Brüssel" abkanzelte. Im übrigen sei "Widerstand gegen die politischen Tugendterroristen" nötig. Auch der jüngst wegen seiner Rede zum 8. Mai 1945 in die Schlagzeilen geratene Volksanwalt Stadler forderte von seiner Partei "mehr Rückgrat in weltanschaulichen Fragen".

Der Dissens in der FPÖ verschärfte sich in der folgenden Woche, als österreichische Medien einen "beinharten Machtkampf" oder gar eine drohende Spaltung der Partei ausmachen wollten. Die aus dem Urlaub zurückeilende FPÖ-Parteichefin und österreichische Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer erklärte - offenbar instruiert von ihrer ebenfalls aus Braunau stammenden Parteifreundin Raschhofer -, zwischen FPÖ und Vlaams Blok gebe es "keine Gemeinsamkeiten". Sie beobachte Versuche von manchen Gruppen in Europa, "sich im Windschatten des Erfolges von Haider anzuhängen". Gegen die Lega Nord gäbe es hingegen "keinen Einwand", sie sei eine italienische Regierungspartei.

Der Kärntner Landeshauptmann widersprach, er sehe, "daß die Positionen des Vlaams Blok in vielfältiger Weise identisch sind mit dem, was die FPÖ in Österreich will". Eine Kooperation sei deshalb "sehr vernünftig". Unterstützung erhielt Haider aus den Landesgruppen der FPÖ: Neben dem Parteichef von Wien, Hilmar Kabas, Karl Schnell aus Salzburg und Hubert Gorbach aus Vorarlberg, wandte sich der Tiroler FPÖ-Chef Willi Tilg "gegen jegliche Ausgrenzung von demokratisch gewählten Kräften".

Unterdessen war zu hören, die FPÖ-Vorsitzende arbeite an einer alternativen europäischen Rechtsallianz ohne den Vlaams Blok. Partner dabei sollen offenbar vor allem "akzeptable" Rechtskräfte sein: Den italienischen Vizeministerpräsidenten Gianfranco Fini, Chef der "postfaschistischen" Alleanza Nazionale, hat Riess-Passer offiziell für September zu einem Besuch nach Wien eingeladen, um Möglichkeiten einer Kooperation zu beraten. Auch strebe sie einen engeren Kontakt mit der Volkspartei des portugiesischen Verteidigungsministers Paulo Portas, der Dänischen Volkspartei (DF) von Pia Kjærsgaard (die derzeit zusammen mit drei französischen Rechts-Gaullisten und der irischen Fianna Fáil Partei in Straßburg die 22köpfige UEN-Fraktion "Union für das Europa der Nationen" bilden) oder der Fortschrittspartei des Norwegers Carl I. Hagen an. Das Treffen mit dem Vlaams Blok schade dagegen den Interessen der FPÖ, da es "die Integration der FPÖ in eine europäische Fraktion stören könne", hieß es aus der Umgebung Riess-Passers, die damit wohl die UEN meinte. Allerdings scheinen die "FPÖ-Liberalen" (Profil) vergessen zu haben, daß sie im August 2000, zur Zeit der EU-14-Sanktionen gegen Österreich, noch jeden Kontakt mit der - laut ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat - "rechts-populistischen, antieuropäischen" DF abgelehnt hatten (siehe JF 34/00). Die damalige FPÖ-Vizeklubfrau Helene Partik-Pablé meinte damals eiskalt: "Wir wünschen keinen Kontakt!" Pia Kjærsgaard reiste unverrichteter Dinge nach Kopenhagen zurück. Daß ihre ausgestreckte Hand zurückgewiesen wurde, hat die 55jährige stolze Dänin daher bis heute nicht vergessen. Man habe "auch in Zukunft kein Interesse", bekräftigte der DF-Europaparlamentarier Mogens Camre letzte Woche im Wiener Magazin Format.

Der Steirer FPÖ-Chef Leopold Schöggl begrüßte dagegen die Gespräche Haiders mit europäischen Rechtspopulisten, auch die mit dem Vlaams Blok, um ein "Gegengewicht zur Sozialistischen Internationale zu schaffen". Ähnlich argumentierte der Historiker und FPÖ-Berater Lothar Höbelt, einer der Teilnehmer am Zur Zeit-Forum, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT: "Die Linke hat es blendend verstanden, alle Instrumente ihrer Regulierungswut auf die Ebene der EU zu transferieren. Sie ist bestens vernetzt, wie man bei den Sanktionen gegen Österreich erlebt hat." Deshalb müsse die Rechte von der Linken lernen. "Es wäre fatal", sagte Höbelt, "wenn nach dem Zusammenbruch des Ostblocks der Sozialismus durch die Hintertür der europäischen Bürokratie wieder eingeführt wird." Nur in einer engeren Kooperation der "Parteien mit regionalistischem, heimatbezogenen Zuschnitt" könne die zentralisierende Entwicklung gebremst werden und die Vielfalt Europas bewahrt werden, betonte Höbelt gegenüber der JF.

Mit dem Treffen am Wörther See habe man alte Berührungsängste abgelegt, so Höbelt. "Das war nicht bloß ein Mediengag, sondern die erste Stufe in einem Prozeß, der die gegenseitige Ausgrenzung beenden soll. Die Personen sollen sich kennenlernen, damit unqualifizierte Beschimpfungen der Vergangenheit angehören." So äußerte sich auch der Vertreter der Lega Nord und Justizstaatssekretär in der ersten Regierung Berlusconi, Mario Borghezio, "beeindruckt" und "überrascht", wie viel Sympathie Haider bei seinen Kärntner Landsleuten genieße. Bei einem gemeinsamen Antreten aller Rechtspopulisten zu den Europa-Wahlen sei er "überzeugt, daß wir bis zu 20 Prozent erhalten können", meinte Borghezio.

Der Flame Filip Dewinter erklärte nach dem Treffen: "Mir tut es leid, daß wir auf Grund falscher Medienberichte bisher gegenseitig Berührungsängste hatten." Speziell bei den Themen "Überfremdung, Kriminalität, Familie und Europa" stimme man vollkommen überein, und Jörg Haider sei "das Erfolgsmodell für alle nationalen und rechtskonservativen Parteien". Haider wolle daher nun im Januar oder Februar 2003 beim Vlaams Blok in Antwerpen, wo die Partei mit 33 Prozent stärkste Kraft ist, auftreten.

Sehr gute Kontakte zur jüdischen Gemeinde

Auf Vorwürfe, der Vlaams Blok sei von ehemaligen flämischen Waffen-SS-Veteranen gegründet worden und auch er sei ein "Nazi", entgegnete Dewinter: "Ich bin 39 Jahre alt und habe nichts zu tun mit dieser Zeit, mit dem Nationalsozialismus. Ich schaue nach vorn. Was war, das war", so Dewinter. Inzwischen habe er "sehr gute Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Antwerpen", wo er als Bürgermeister kandidierte und Konflikte zwischen Einheimischen und Einwanderern anwachsen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war Dewinter öfters an jüdischen Feiertagen in der Synagoge erschienen. "Wir haben ja jetzt einen gemeinsamen Feind, den Islam", sagte er den Verblüfften.

Bis aber die Voraussetzungen für eine gemeinsame Liste der europäischen Rechten geschaffen sind, scheint es noch ein langer Weg. Neben inhaltlichen Streitfragen gibt es wahlrechtliche Hindernisse. Ursprünglich hatte der EU-Konvent eine Reform des Wahlsystems bis zum Frühjahr 2003 ins Auge gefaßt. Nun aber sind die Beratungen ins Stocken geraten. "Der Siegeszug der europäischen Rechten hat die Debatte gebremst. Regierungen und Parlament wollen deren EU-Kandidatur verhindern", vermutet die Politologin Sonja Puntscher-Riekmann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Zur Zeit-Herausgeber Mölzer warnte vor übertriebenen Erwartungen: Es werde jetzt nicht "sofort eine 'Rechte Internationale' geben". Allerdings glaube er, daß die Gegner einer europäischen Dimension der Rechten bald auf seine Linie einschwenken werden. "Ich prophezeie, daß auch Riess-Passer nach einer Schrecksekunde sagen wird, jawohl, wir prüfen das", sagte er dem Wiener Standard.

Die Vorwürfe gegen den Vlaams Blok hält der frühere FPÖ-Vordenker für überzogen: "Warum gibt es einen cordon sanitaire gegen den Vlaams Blok? Da höre ich, nur, weil er für einen Zuwanderungsstop ist. Aber bitte, die EU hat eben ganz Ähnliches beschlossen." Der Vlaams Blok solle als mißliebige oppositionelle Gruppe von der Macht ferngehalten werden, sagte Mölzer. Für die Zukunft plane er, den Gedankenaustausch der europäischen Rechtspopulisten zu vertiefen. Bereits im Vorjahr gab es in Niederösterreich unter Mölzers Federführung eine Zusammenkunft (siehe JF 47/01), an der der CDU-Politiker Heinrich Lummer sowie der Initiator der "Deutschland-Bewegung", Alfred Mechtersheimer, teilgenommen hatten.

Gegenüber dem Wiener Standard gab sich Mölzer aber pessimistisch, wer als möglicher Partner der FPÖ für die Europa-Wahl in Betracht käme: "In Deutschland gibt es genug Obskuranten, mit denen man nichts zu tun haben sollte, Kleinparteien, wo die Hälfte der Führung aus V-Leuten des Verfassungsschutzes und die andere Hälfte aus halbseidenen Personen besteht."

Nächstes Treffen ist für den Herbst geplant

In der Bundesrepublik, stimmte Höbelt zu, lägen auf der Rechten nur die "Trümmer mehrere Generationen von Gescheiterten. Aber natürlich würde ich mich beispielsweise sehr über die Mitarbeit von Manfred Brunner im Europaparlament freuen", betonte Höbelt. Als Zeitrahmen für eine gemeinsame Liste faßt er eher das Jahr 2009 als 2004 ins Auge. Dabei sieht er wie Mölzer in Haider "eine Ikone der Rechten", welche am zugkräftigsten für die Wahlen sei.

Für diese Idee kann sich auch FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky erwärmen, der schon vor ein paar Monaten eine europaweite "Liste Jörg Haider" vorschlug. Kommt es dazu, sieht der Standard schwere Zeiten hereinbrechen. Denn mit Haider "als Chef einer rechtspopulistischen Fraktion im Straßburger Parlament nach den Europawahlen des Jahres 2004" könnten die europäischen Rechtsparteien von zunehmender EU-Verdrossenheit profitieren.

Und der Alptraum für die europäischen Linksparteien scheint kein Ende zu nehmen: Das nächste Treffen soll schon im Oktober oder November stattfinden. Außerden soll eine gemeinsame Themenplattform für die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene erstellt werden. Vlaams Blok-Chef Frank Vanhecke gab sich schon für die Europawahlen 2004 gegenüber dem Focus optimistisch: "Ich erwarte, daß EU-weit mindestens 25 Rechtspolitiker den Sprung ins Parlament schaffen. Das reicht für eine schlagkräftige Fraktion."

 

Fototext: Andreas Mölzer (l.) mit Filip Dewinter und Frank Vanhecke vom Vlaams Blok, sowie Mario Borghezio von der Lega Nord (r.): Speziell bei den Themen Überfremdung, Kriminalität, Familie und Europa stimmten die europäischen "Rechtspopulisten" vollkommen überein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen