© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002


Wahlkampf
Der neue deutsche Weg
Dieter Stein

Wer sich in den letzten Tagen in einen Regenmantel gehüllt oder mit einem Schirm bewaffnet auf die Straße getraut hat, dem sind sie wieder begegnet: Kleine und große Plakate, die von der eingeläuteten heißen Phase des Bundestagswahlkampfes künden. Während die Unionsparteien ihren Kanzlerkandidaten Stoiber als "teamfähig" präsentieren, freundlich in eine Plauderei vertieft mit Frau Merkel, friedlich Kompetenz ausstrahlend, zeichnet die regierende SPD den um die Wiederwahl ringenden Kanzler Schröder in hart belichteten Aufnahmen als angestrengten Amtsinhaber. Mal sitzt Schröder nächtlich an einem nur von einer kleinen Lampe erleuchteten Schreibtisch, gebeugt über Akten. Ein anderes Mal lehnt er im Fond seiner Karosse und hält staatsmännisch ein Funktelefon an sein Ohr. Der Amtsbonus soll in der laufenden Kampagne ausgereizt werden.

Angesichts einer miesen Regierungsbilanz, insbesondere explodierender Arbeitslosenzahlen und einer schweren Wirtschaftskrise, reicht es nicht aus, sich vom zweifelhaften Nimbus des "Machers" ins Ziel tragen zu lassen. Die SPD will deshalb mit außenpolitischer Stärke von innenpolitischer Schwäche ablenken. Scheinbar aus einer Wahlkampflaune heraus geboren wurde in der vergangenen Woche der Satz vom "eigenen deutschen Weg". Darunter versteht man nun überraschenderweise das Artikulieren eigener nationaler Interessen. Hoppla, es gibt also doch unterschiedliche Interessen zwischen Staaten! Verblüffend: Deutschland kann amerikanischen Plänen für einen Angriff auf den Irak widersprechen! Schröder tönt so von "Spielerei mit dem Krieg" und lehnt die deutsche Beteiligung an einem "Abenteuer" der USA ab. Als wohlerzogener Nationalist freut man sich, denkt, hat der lesefaule Schröder seinen Rudolf Augstein doch einmal richtig gelesen und verstanden?

Aber nein! Die nationale Nummer entpuppt sich als Seifenblase. Der mit seinem Joschka-Bus eifrig durchs Land schnürende Außenminister Joseph Fischer hängt in den Jogging-Pausen am Telefon und beruhigt die "Partner in Washington", man habe ja nur gemeint, bei der "derzeitigen Bedrohungslage" sei man nicht dabei. Was nach dem 22. September sei, wisse man schließlich jetzt noch nicht.

Die ABC-Spürpanzer der Bundeswehr werden in Kuwait einsatzbereit sein. Und Deutschland wird wie 1991 beim ersten Golfkrieg eine wichtige logistische Drehscheibe der US-Armee sein. Der "eigene deutsche Weg" liegt also in weiter Ferne. Daß er vom bayerischen Ministerpräsidenten nicht zu erwarten ist, steht auch außer Frage. Bei Union und FDP sind transatlantische Treueschwüre traditionell besser eingeübt als bei der SPD, die nun durch ihren neckischen Appell an das verschüttete national-pazifistische Unterbewußte der Deutschen zu punkten versucht.

Was bleibt, ist immerhin eine klitzekleine Trockenübung in der Artikulation eines eigenen nationalen Standpunktes. Eigentlich ein Anlaß für einen neuerlichen Aufstand der Anständigen - oder nicht?


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