© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/02 16. August 2002

 
Robin Hood im Wilden Westen
Kino: "American Outlaws" von Les Mayfield
Werner Norden

Gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs gerät eine der letzten paramilitärischen Widerstandsgruppen der Konföderierten in einen Hinterhalt der Armee der Nordstaaten. Nur durch den todesmutigen Einsatz der beiden Brüderpaare Jesse und Frank James (Colin Farrell, Gabriel Macht) sowie Cole und Bob Younger (Scott Caan, Gregory Smith) gelingt es dem Trupp, sich aus der Umzingelung der zahlenmäßig weit stärkeren Yankees zu befreien und diese schließlich sogar in die Flucht zu treiben.

Auf ihrem Ritt nach Liberty in Missouri, wo sie ihre Farmen haben und ihre Familien leben, erfahren die Männer, daß die Südstaaten-Armee unter General Robert E. Lee endgültig geschlagen ist und kapituliert hat. Doch Zuhause wartet bereits neues Ungemach auf die abgekämpften und erschöpften Heimkehrer. Die allmächtige Eisenbahngesellschaft will sich für ein paar tausend Dollar ihr fruchtbares Land unter den Nagel reißen. Mit Hilfe der Detektiv-Agentur Alan Pinkertons terrorisieren die Eisenbahn-Bosse die verkaufsunwilligen Farmer, brennen ihre Häuser nieder und töten rebellische Farmer.

Als auch Jesses und Franks Mutter in den Flammen ihres Hauses umkommt, schwören die Brüder Rache. Mit Hilfe der Youngers und ein paar Freiwilligen überfallen sie Banken, sprengen Eisenbahngleise und verteilen das geraubte Geld unter den armen Farmern. Aber auch der gerissene Pinkerton hat noch ein paar Trümpfe im Ärmel, und liefert sich mit den Robin Hoods des Wilden Westens bald gnadenlose Kämpfe ...

Die eigenständige, populäre amerikanische Tradition des Western ist schon immer ziemlich sorglos mit der historischen Wahrheit umgegangen. In dem alles andere als epischen Western "American Outlaws" von Regisseur Les Mayfield ("Flubber") kommt jedoch die Doppelwertigkeit des Genres als nationaler Mythos und als effektvolle, ganz auf spektakuläre Sequenzen ausgerichtete Form mit moderner Ornamentik besonders deutlich zum Ausdruck. Hatte Fritz Lang in seinen beiden Anfang der vierziger Jahre entstandenen "Jesse James"- Filmen dem Schicksal der Brüder wenigstens noch eine Spur von Tragik eingeschrieben, haben die hier erzählten Ereignisse mit der wirklichen Geschichte der James/Jounger-Gang nur noch wenig zu tun. Die legendenhafte Verklärung der Helden kollidiert in diesem Film mehr als einmal mit den historischen Aspekten.

Geschichtlich verbürgt ist nämlich unter anderem, daß die James- und Younger-Brüder nach dem Ende des Bürgerkrieges vier Jahre unter dem Rebellenführer Quantrill als Guerilleros kämpften, was überhaupt nicht erwähnt wird. So wird beispielsweise auch der fatale Einfluß, den der impulsive Heißsporn Jesse auf seinen älteren und weitaus intelligenteren und bedächtigeren Bruder Frank hatte, völlig ausgeklammert. Und auf den politischen Konflikt zwischen der amerikanischen Variante des Feudalismus und der gewissermaßen bürgerlich-kapitalistischen Revolution, der schließlich in den vierjährigen blutigen Bürgerkrieg mündete, geht der Film nicht einmal am Rande ein.

Das bittere Unrecht, das den Besiegten von den Siegern angetan wurde, wird hingegen melodramatisch in einer Weise verkitscht und sentimental überzeichnet, die den Protagonisten auch noch das letzte Fünkchen ihrer Identität raubt und sie dadurch der Lächerlichkeit preisgibt.

Die mehr als holprigen und naiven Dialoge, vor allem aber die unambitionierten schaupielerischen Leistungen - nicht mal in der James Bond-Rolle agierte Timothy Dalton so schlecht wie hier als Pinkerton -, machen "American Outlaws" zu einem Western, der den amerikanischen Patriotismus möglicherweise im Herzen trägt, sein heroisches Anliegen aber durch Überakzentuierung und eine uninspirierte Regie allzu billig verschleudert.


 
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