© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
Kolumne
Europas Allianz
Andreas Mölzer

Ein Gespenst geht um in Europa, könnte man angelehnt an Karl Marx sagen. "Rechtspopulismus" wird es von jenen genannt, die es fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Als "Rechtsdemokraten" verstehen sie sich selbst, so unterschiedlich sie sind. In der Tat könnten ihre Wurzeln nicht verschiedenartiger sein: Da gibt es Steuer-Protestparteien wie in Skandinavien, die sich zu solchen Rechtsdemokraten entwickelt haben, basis-demokratisch und sehr sozial orientiert. Dann gibt es die geläuterten Erben autoritärer Staatsparteien wie in Spanien. Es gibt Separatisten, wie die padanische Lega Nord und den Vlaams Block. Und es gibt auf der anderen Seite die Gralshüter des Nationalstaats gegenüber der Europäischen Union Bevormundung. Allen gemein ist allerdings so etwas wie ein "identitärer" Charakter. Im Mittelpunkt ihres politischen Wirkens steht die nationale Identität ihres Volkes, ihrer Region und ihres Staates.

Die Gemeinsamkeit eint sie, sie besitzt aber auch viel trennende Sprengkraft. Diese identitären, wenn man will nationalen Parteien, sind naturgemäß auch die Erben der Antagonismen zwischen den historisch gewachsenen europäischen Nationen. Zwischen den italienischen Postfaschisten etwa und den österreichischen Freiheitlichen steht naturgemäß das Problem Süd-Tirol. Und tschechische Rechte werden mit patriotischen Parteien in Deutschland oder Österreich in Sachen Benes-Dekrete wohl nur sehr schwer einen gemeinsamen Nenner finden. Daß sich diese historischen Gegensätze allerdings auflösen lassen, beweist die Tatsache, daß etwa die alte deutsch-französische "Erbfeindschaft" heute zwischen konservativen, patriotischen oder rechten Parteien in beiden Ländern keine Rolle mehr spielt.

Die zunehmende Europäisierung der Innenpolitik führt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu Parteienbündnissen oder ideologischen Fraktionierungen. Wenn die Sozialisten sich in der Internationale absprechen, wenn dies die Christdemokraten europaweit tun, wenn es Liberale und Grüne vermögen, werden es die Rechtsdemokraten wohl auch schaffen. Tatsächlich sind es jene dringenden Fragen wie EU-Bürokratie, Zuwanderung, Souveränitätsrechte und Kriminalität, vor denen tatsächlich alle europäischen Länder gleichermaßen stehen und auf die das politische Establishment keine Antwort gibt: Herausforderungen für diese europäischen Rechtsdemokraten gibt es also sonder Zahl. Und die Notwendigkeit, sich zumindest auf europäischer Ebene zu verbünden, ist ein Gebot der Stunde. Das scheint man zwischen Lissabon und Wien, zwischen Turin und Kopenhagen erkannt zu haben.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit"


 
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