© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/02 23. August 2002

 
Zeitschriftenkritik: Rabenflug
Gegenüberstellungen
Werner Olles

Daß es der Herausgeberin der Kulturzeitschrift Rabenflug, Evelyn von Bonin, trotz großer Schwierigkeiten (JF 42/01) gelungen ist, ihre Zeitschrift auch weiterhin erscheinen zu lassen, gehört zu den freudigsten Überraschungen dieses Jahres. In der jüngsten Ausgabe wird an einige (vergessene?) Autoren erinnert, es gibt wieder eine Gegenüberstellung von neuer und älterer Literatur, und man wirft diesmal einen Blick ins Baltikum.

Ulrich Schmidt schildert in seinem Aufsatz über "Rigas Disharmonien", wie in dem heutigen "Museum der Okkupation" 1970 ein ganz anderes Museum eröffnet wurde: das Museum der Roten Schützen. Diese hatten 1917 den Rückzug der russischen Truppen gesichert, und waren dann zur Schutztruppe Lenins befördert worden. Stalin ließ die letzten Überlebenden 1933 liquidieren. Dennoch war die damalige Museumseröffnung kein Versuch der Wiedergutmachung, sondern der Geschichtsklitterung, weil die Heroisierung von 1970 nahelegte den Hitler-Stalin-Pakt vergessen zu machen, mit dem die Aufteilung des Baltikums beschlossen wurde. Jetzt kann man im Museum die mit dem Pakt von 1939 begonnene und 1991 mit dem Abzug der Roten Armee endende Okkupation Lettlands studieren. Angesichts der an Unterdrückung gewiß nicht armen Geschichte Lettlands ist die sowjetische Okkupation ohnedies fest im historischen Bewußtsein der Letten verankert.

Der 1984 verstorbene baltische Dichter Edzard Schaper beschreibt in der Erzählung "Das Wiedersehen" eine Begegnung zwischen Vater und Sohn, die sich nach vielen Wirren im Spätsommer des Kriegsjahres 1941 in einem ukrainischen Dorf zufällig wieder treffen. Der Sohn kann noch das Wiedersehen zwischen Vater und Mutter organisieren, fällt aber dann einem Angriff russischer Bomber zum Opfer.

In Dittker Slarks Portrait "Ein begnadeter Dichter - Eduard Mörike" lesen wir über die unglückliche Liebe des Lyrikers zu der attraktiven Maria Meyer, deren unstetes Leben Mörike in tiefe Seelenqualen und unerfüllte Liebesglut stürzte. Nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch tilgte er alle Niederschriften in Briefen und Tagebüchern, die auf jene Frau hinwiesen, die er sein Leben lang nicht vergessen konnte.

"Ganz wie sein Bruder Ernst hat sich auch Friedrich Georg Jünger den Offerten des Nationalsozialismus mit großem Mut entzogen", schreibt Jochen Schaare in seinem Beitrag zum 25.Todestag des Lyrikers, Essayisten und Erzählers, dessen Denken tief in der Antike verwurzelt ist. Den Machthabern verdächtig wie sein Bruder Ernst, wurden seine zwischen 1934 und 1943 erschienenen Gedichte von den denkenden Zeitgenossen begierig gelesen. Auf F. G. Jüngers revolutionäres Buch "Die Perfektion der Technik" gehe in Deutschland die ganze Diskussion über Umweltschutz zurück, schreibt der Autor und resümiert: "Die Linke fiel damals geschlossen über ihn her und sieht sich heute aller ihrer eigenen Theorien widerlegt!"

Anschrift: Evelyn von Bonin, Herminenstr. 7, 65191 Wiesbaden. Der Einzelpreis beträgt 3,20 Euro, das Jahresabonnement kostet 6,30 Euro.


 
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