© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/02 30. August 2002 |
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PRO&CONTRA Steuerreform verschieben? Ulrich Mohn / Max Schön Die Steuerreform ist unter der Annahme einer anderen konjunkturellen Entwicklung getroffen worden. Zusätzlich konnte niemand damit rechnen, daß die Städte und Gemeinden, auch die Länder, die vom Hochwasser betroffen sind, mit derart großen zusätzlichen Aufgaben zu rechnen haben. Wenn man nun eine solidarische Finanzierung von Soforthilfen und Wiederaufbauhilfen auf die Beine stellen möchte, wird das nicht so ohne weiteres aus den bisherigen Haushalten zu finanzieren sein. Eine zusätzliche Schuldenaufnahme wäre auch im Hinblick auf den europäischen Stabilitätspakt nicht ratsam. Daher sind die öffentlichen Haushalte zur Zeit etwas unterfinanziert und die Verschiebung dieser einen Stufe des Steuersenkungsgesetzes würde allen etwas Luft verschaffen. Dieses Gesetz sieht verschiedene Stufen der Steuersenkung vor, die auch umgesetzt werden. Stück für Stück, allerdings nur in einem etwas anderen zeitlichen Rahmen. Wir bleiben auf einem Pfad der Steuersenkung, der zeitliche Rahmen wurde aber unter anderen, optimistischeren Voraussetzungen so eng geschnitten. Es konnte niemand wissen, daß sich die Weltkonjunktur so schlecht entwickelt und daß es zu einer Flutkatastrophe kommen würde. Ich denke, es ist Aufgabe der Politik, auf veränderte Umstände zu reagieren, ohne damit die Glaubwürdigkeit der Grundlinien ihrer Politik aufzugeben. Die Gewinne der Bundesbank, die normalerweise zur Senkung der Verschuldung eingesetzt werden, zu verwenden, würde letzten Endes darauf hinauslaufen, die Verschuldung zu erhöhen. Generell gilt, wenn man von einer Katastrophe heimgesucht wird, soll die betroffene Generation auch dieses Problem lösen. Wenn man die Verschuldung erhöht, verschiebt man die Lösung des Problems auf die nächste Generation.
Ulrich Mohn ist Finanzreferent des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).
Das Einfachste ist immer der Griff in die Tasche des Steuerzahlers - die Politiker können sich dabei noch "solidarische" Gefühle machen, ohne daß es sie viel kostet. Statt der Aufschiebung der sogenannten Jahrhundert-Steuerreform wären geboten: Eine Prioritätenverschiebung in den öffentlichen Haushalten zugunsten der betroffenen Länder (zum Beispiel bei den Mitteln für Gemeinschaftsaufgaben), ein bißchen Verzicht auf öffentlichen Luxus und unsinnige Sozialleistungen (zum Beispiel Kinder- und Erziehungsgelder nach dem Gießkannenprinzip und damit auch für alle Besserverdienenden), Streichung von diversen Förderprogrammen (Vermögensbildung, Wohnungsbau und ähnliches. Hier sind wir sofort im zweistelligen Milliardenbereich!) Dann auch Liberalisierungen zum Beispiel: Steuerfreiheit für die Katastrophengebiete auf zwei bis drei Jahre, Regionale Öffnungs- und Experimentierklauseln (zum Beispiel Aufhebung der Tarifbindung am Arbeitsmarkt!), Entbürokratisierung (zum Beispiel im Baurecht), zur Not auch die Auflegung einer nationalen freiwilligen Solidaranleihe für opferwillige Bürger, eventuell steuerbegünstigt. Was ist aber die Folge der nun eingesetzten "solidarischen" Steuerkeule? Die Vernichtung oder Nichtentstehung von geplanten Arbeitsplätzen, gestörte Investitionspläne, geringerer Konsum, damit auch geringeres Steueraufkommen, noch größerer Finanzdruck beim Staat, noch höhere Verschuldung usw. Die Regierung droht, den Staatswagen gegen die Wand zu fahren, die Katastrophe hilft ihr dabei. Es ist schlicht falsch, einen stark strapazierten Staat durch die Überforderung seiner Bürger sanieren zu wollen. Zudem müssen auch die Opfer diese höheren Steuern zahlen: Wie absurd!
Max Schön ist Unternehmer und Präsident der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU). |
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