© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/02 30. August 2002 |
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LOCKERUNGSÜBUNGEN Altlasten Karl Heinzen Die italienische Regierung hat eine 800 Seiten starke Liste von historischen Gebäuden, Straßen, Inseln, Stränden, Natur- und Kunstdenkmälern veröffentlicht, mit deren Verkauf sie einen vielleicht sogar etwas mehr als nur symbolischen Beitrag zur Eindämmung der Staatsschuld leisten will. Auch prominente Objekte stehen Investoren, die ihr Portfolio kulturell aufwerten wollen, nunmehr offen. Die Villa Jovis auf Capri etwa, eine der Residenzen des Augustus-Nachfolgers Tiberius, ist für 90.000 Euro zu haben. Noch liegen nicht alle Pläne des Schatzministeriums für die Privatisierung von Erinnerungsstücken an die italienische Vergangenheit auf dem Tisch. Bereits zum Jahresende hin werden aber weitere Verkaufsangebote erwartet. Berlusconi mußte Widerstand innerhalb des Regierungslagers brechen lassen, um das für die zivilisierte Welt einzigartige Projekt auf den Weg zu bringen. Nun sollte es nicht ausgerechnet am Einspruch einer Minderheit von Kulturfanatikern scheitern, die meinen, ihre Sentimentalität den Erfordernissen des ökonomischen Alltags voranstellen zu dürfen. Es ist wahr, daß die Intellektuellen Italiens nicht mehr dazu eingeladen sind, auf die Geschicke des Landes Einfluß zu nehmen. Es steht ihnen aber unverändert frei, den Ereignissen eine Deutung zu geben. Insofern sollten sie sich darüber freuen, daß Berlusconi sie in ihrer Einschätzung über den Weg, den Italien nimmt, erneut zu bestärken weiß. Und dennoch straft der Premierminister alle Lügen, die ihm eine Orientierung an historischen Vorbildern unterstellten. Im Zentrum seiner Politik steht der materielle Nutzen heute lebender Menschen. Nur ihn kann man bewerten. Die Vergangenheit mag interessant gewesen sein. Sie muß sich aber auszahlen, wenn sie Bestand haben soll. Was den Menschen ihre Vergangenheit wirklich bedeutet, läßt sich erst durch die Ermittlung von Marktpreisen für das Kulturerbe ermessen. Es ist nämlich einfach, den Denkmalschützer zu spielen, solange die Gesamtheit der Steuerzahler die finanzielle Verantwortung für die Folgen einer nicht selten chauvinistischen Geschichtsversessenheit übernimmt. Die Allgegenwart des Musealen ist ablenkend genug für eine Population, die ihre Bestimmung in der Marktgesellschaft erkennen sollte. Der Fiskus hat diese historische Last, an der ihn keine Schuld trifft, nicht auch noch zu subventionieren. Berlusconi geht es also um die Zukunftsfähigkeit seines Landes, aber er ist zugleich Pragmatiker. Der italienische Staat hat die Erwartungen, die seine Bürger immer wieder einmal an ihn richteten, unter dem Strich nicht erfüllt. Berlusconi erhebt nicht, wie Mussolini, den Anspruch, aus dieser Tradition auszubrechen. Er würde den Staat abschaffen, wenn er es könnte. So will er ihn wenigstens auf sein unverzichtbares Kerngeschäft eindampfen. Das Ruinenmanagement gehört nicht dazu. Das Festhalten an unrentablen Regionen allerdings auch nicht. |
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