© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Auf dem Altar des Wahlkampfes geopfert
Nahost II: Unionspolitiker warnen vor "deutschem Weg" in der Außenpolitik / Wahlkämpfer Stoiber setzt hingegen auf vorsichtige Distanz zur US-Position
Michael Wiesberg

Die Drohung von US-Vizepräsident Dick Cheney mit einem Präven-tivkritik gegen den Irak hat den nicht enden wollenden Ergebenheitsadressen der Unionsparteien in Richtung USA ein vorläufiges Ende gemacht. Wohl auch um seine Wahlchancen zu wahren, ist Kanzlerkandidat Edmund Stoiber inzwischen auf vorsichtige Distanz zur US-Position gegangen.

Der CSU-Chef macht nun den Einsatz der Bundeswehr von einem UN-Mandat und einer einheitlichen Haltung der EU abhängig und präzisierte letzte Woche in Berlin die Unions-Position: "Das Entscheidungs- und Handlungsmonopol in dieser Frage liegt bei den Vereinten Nationen. Alleingänge eines Landes ohne Konsultation, Abstimmung und ohne Mandat der internationalen Staatengemeinschaft sind damit nicht vereinbar." Stoiber schränkte aber ein: Sollten sich die Uno einmütig für eine Intervention entscheiden, dann könne er sich nicht vorstellen, daß die Europäer abseits ständen.

Nicht ablassen mag die Union von ihrer Kritik am "deutschen Weg" des Bundeskanzlers in der Irak-Frage. Hier übte sich Stoiber sogar auf dem Feld der Neologismen, als er in der Welt am Sonntag erklärte, er halte den von Gerhard Schröder geprägten Begriff eines "deutschen Weges" für "hundsgefährlich". Der Begriff des "deutschen Weges" assoziiere immer den "geschichtsträchtigen deutschen Sonderweg".

"Hundsgemein" gehört zum Allgemeingut. Aber "hundsgefährlich"? Stoiber zur Seite sprang der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für EU-Angelegenheiten, Friedbert Pflüger (CDU), der Schröder vorwarf, "die deutsch-amerikanische Freundschaft auf dem Altar des Wahlkampfs zu opfern". Von deutschem Boden, das wollen Pflüger und Stoiber hier wohl nahe legen, darf auch in Zukunft politisch keinerlei Eigensinn ausgehen.

Folgt man den Äußerungen der Unionspolitiker, dann gehe es jetzt darum, internationalen Druck auf den irakischen Diktator Saddam Hussein auszuüben, damit die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats erfüllt würden und die UN-Waffeninspekteure wieder ungehindert ins Land könnten. US-Präsident George W. Bush hat aber des öfteren durchblicken lassen, daß ihm das alles nicht mehr genüge.

Er hat keinen Zweifel daran gelassen, daß ein "Regimewechsel" in Bagdad für ihn unabdingbar sei. Rudolf Augstein kommentierte im Spiegel mit Blick auf die Art und Weise des angestrebten Regimewechsels in Bagdad vollkommen zutreffend: "Ja, wie denn - durch Überredungskunst?" Glaube der Mann im Weißen Haus, so Augstein weiter, daß sich Saddam Hussein freiwillig die Kugel gebe, wie es dessen Gast Abu Nidal gerade (nach ausgiebigem Verhör durch den irakischen Geheimdienst) getan haben soll? Es werde schon "geballte militärische Gewalt vonnöten sein", wolle man Saddam Hussein loswerden. Damit stelle sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines derartigen Vorgehens - und ob wir Deutschen uns daran beteiligen sollten, meint Augstein.

Nicht so für die Union. Weder Pflüger, noch Stoiber, noch der CDU-Außenexperte Wolfgang Schäuble wollen davon ablassen, Kanzler Schröder und Verteidigungsminister Peter Struck vorzuwerfen, mit ihren Äußerungen zur US-Irak-Politik Deutschland geschadet zu haben. "Struck und Schröder haben einen Ton in die Außen- und Sicherheitspolitik hineingebracht, der den deutschen Interessen nachhaltig schadet", behauptet Schäuble gar in der Bild am Sonntag. Es sei falsch, wenn Struck den USA "die Neigung zu militärischen Alleingängen" unterstelle.

Wie sich die Union die Wahrung "deutscher Interessen" vorstellt, skizzierte Pflüger so: "Wahr ist, das es ein großer Fehler ist, in der jetzigen Situation zu erklären: Ganz egal, was die Vereinten Nationen machen, ganz egal, was die Nato macht, was die EU sagt, wir gehen den deutschen Weg", meint Pflüger. Das sei eine Politik, wie wir sie nicht betreiben sollten.

Die Deutschen hätten mit "deutschen Sonderwegen" in der Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn man von vornherein sage: "Ganz egal, was passiert, ob Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hat oder nicht, ob er damit droht oder nicht, was die Uno sagt, was Kofi Annan uns sagt, nein, wir Deutschen machen nicht mit, dann spaltet man das Bündnis. Dann setzt man die Freundschaft zu Amerika aufs Spiel." Das ihm "alles egal" sei, hat Schröder zu keiner Zeit zu erkennen gegeben. Derartige Diffizilitäten spielen aber im laufenden Wahlkampf ganz offensichtlich keine Rolle mehr.

Inwieweit es bereits einem "deutschen Sonderweg" gleichkommt, wenn Schröder erklärt, er halte es für falsch, auf einen Krieg zuzusteuern, statt weiterhin auf einen Einsatz von Inspekteuren im Irak zu dringen, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Aus der Sicht von Pflüger hält die angebliche Freundschaft mit den USA offensichtlich noch nicht einmal eine Bemerkung wie die von Außenminister Joseph Fischer aus, der erklärte: Wenn ein so "wichtiger Bündnispartner der Europäer wie die USA" sich auf Irrwegen befände, "dann müssen wir das auch sagen".

Dies gilt umso mehr, als die Rechnung, die die US-Regierung aufmacht, eine Reihe von Unbekannten beinhaltet. Was nach einem möglichen Sturz Saddams mit den kurdischen und schiitischen Minderheiten im Irak geschehen soll, ist derzeit völlig offen. Überhaupt gibt es kaum schlüssige Informationen darüber, wie sich die USA eine Zeit nach Saddam Hussein vorstellen.

Genausowenig gibt es Szenarien über die Konsequenzen einer dann möglichen Erstarkung des islamischen Fundamentalismus in Saudi-Arabien, einem Staat, den Mitglieder der Bush-Regierung inzwischen in die Nähe der "Achse des Bösen" gerückt haben. Dennoch sollen nach dem Willen der Unionsparteien deutsche Soldaten an einem Irakabenteuer teilnehmen. Geht es nach Friedbert Pflüger, möglicherweise auch ohne UN-Mandat. So zumindest seine Position vor der Präventivkriegsrede Cheneys. Ähnlich wie der jüngst "freigesetzte" Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff inszeniert sich auch Pflüger seit langem als Amerikaner, der nur "zufällig" einen deutschen Paß hat.


 
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