© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
So leicht wird man Jörg Haider nicht los
Österreich: Der Streit um die Steuerreform und die Krise in der FPÖ gefährden die schwarz-blaue Koalition
Gustaf Domberg / Jörg Fischer

Österreich braucht die FPÖ - aber ohne Haider" schrieb kürzlich ein bekannter Wiener Leitartikler. Ja, wenn das so einfach wäre! Die FPÖ verdankt ihren Aufstieg seit 1986 sowie ihre Beteiligung an der schwarz-blauen Koalition einzig und allein Haider. Eine FPÖ ohne ihn wäre eine politisch korrekte, rechtsliberale FDP, die zwar dem Geschmack der veröffentlichten Meinung und sicher auch dem des Koalitionspartners ÖVP entspräche - nur: Wählerstimmen könnte man auf diese Weise nicht maximieren. Eine FPÖ ohne Haider schwebte in der Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit abzusinken.

Damit aber wäre es aber auch mit der Regierungsbeteiligung und den wohldotierten Ministerposten vorbei. In aktuellen Umfragen ist die FPÖ von 27 auf 19 Prozent abgesackt. Das Ende der Wiener Koalition, die Abwahl durch das enttäuschte Wahlvolk - wobei sich der Volkszorn weitaus stärker gegen die FPÖ als gegen die ÖVP richtet - könnte spätestens nach den Parlamentswahlen im Herbst 2003 besiegelt sein.

Und die Berliner taz schreibt, was auch viele andere hoffen, "daß ein Regierungsexperiment, das als politischer Tabubruch sondergleichen in Europa begonnen hat, in einer dramatischen Groteske endet".

Und solche "Hoffnungen" sind nicht unbegründet. Wie tief der Riß durch die FPÖ hindurchgeht, zeigt eine bissige Bemerkung Haiders über die verschobene Steuerentlastung niedriger Einkommen und den zuständigen 33jährigen FPÖ-Finanzminister: Karl-Heinz Grasser habe als Sohn begüterter Eltern ein Leben lang im Wohlstand gelebt und wisse daher nicht, was es heißt, bescheiden zu existieren und sich einschränken zu müssen.

Haider hat nämlich im Gegensatz zu den machtverliebten FPÖ-Ministern erkannt, daß die FPÖ nicht so sehr vom Lob der Medien oder der Gnade des Koalitionspartners abhängt - als vielmehr von ihren Wählern. Wenn diese der FPÖ bei kommenden Wahlen - vor allem durch Wahlenthaltung - einen Denkzettel verpassen, ist es nicht nur mit den Ministerherrlichkeiten, sondern mit der FPÖ selber zu Ende. Haider ist der Meinung, die FPÖ müsse ihre Wahlversprechen einlösen. Die Freiheitlichen haben beträchtliche Steuersenkungen versprochen - und die unter der Abgabenlast stöhnenden "kleinen Leute" haben auch deshalb die FPÖ gewählt.

Statt dessen hat Grasser die Abgabenlast erhöht wie noch nie zuvor. Haider weiß auch, daß das gepriesene "Nulldefizit" im Staatshaushalt nichts bringt, wenn darüber die Mehrheit flöten geht. Die versprochene Steuerreform wegen der Hochwasserschäden zu verschieben, betrachtet er als Wortbruch gegenüber dem Wähler und als politischen Selbstmord der Partei. Die Riege um Susanne Riess-Passer hat das nicht erkannt.

Schon seit einiger Zeit hat sich der FPÖ-Ministerflügel ideenpolitisch abgekoppelt. Mit Überzeugungen hat man da wenig im Sinn - es ist bezeichnend, daß sich kaum einer der FPÖ-Minister "weltanschaulich" zu äußern pflegt. In diesen Tagen hat Sozialminister Herbert Haupt, im Zivilberuf Veterinär, einen Krach mit der katholischen Kirche ausgelöst, weil sein bis 1999 SPÖ-geführtes Ministerium eine Broschüre für Jugendliche zum Thema "Love and Sex" herausbrachte, in der Mut gemacht wird, es auch einmal mit gleichgeschlechtlicher Liebe zu versuchen.

Das mag ein Einzelfall sein, paßt aber ins Gesamtbild. Haider ist der einzige, der überhaupt noch Grundsatzfragen anrührt. Dabei zeigt sich, daß man den 52jährigen Kärntner Landeshauptmann schwer in ein Rechts-Links-Schema einordnen kann. Seine medial hochgejubelten innerparteilichen Gegner sind überhaupt nicht "links", weil sie völlig dem Neoliberalismus verfallen sind. Der "rechte" Haider wiederum hält sich an John Maynard Keynes (deficit spending) und an SPÖ-Langzeitkanzler Bruno Kreisky: lieber einige Millionen Schulden als einige hunderttausend Arbeitslose. Insofern steht Haider weit links von Schröders SPD. Bezeichnend ist auch, daß Haider mit der Opposition von rot bis grün die Meinung teilt, die Anschaffung von "Abfangjägern" sei angesichts der Kassenlage unsinnig.

Ob sich der Konflikt noch durch wirkliche Versöhnung oder auf einem Sonderparteitag kitten läßt, ist fraglich. Haider wird sich einstweilen aus der Bundespolitik zurückziehen und im Wahlkampf nicht mehr für die FPÖ agieren. Das aber bedeutet für die Ministerriege nichts Gutes: am Ende könnte eine schwere Niederlage stehen - und damit wäre der Weg frei für den Mann, der vor dieser Gefahr gewarnt hat und den man nicht hören wollte.

Ob es dann noch eine schwarz-blaue Regierung geben kann - oder Österreich bald einer rot-grünen, einer neuen großen SPÖ/ÖVP-Koalition oder gar schwarz-grünen Zukunft entgegengeht - ist die Preisfrage, für die es (noch) keine Antwort gibt. Österreich ohne Haider? Manchen wünschen es, manche befürchten es - aber so leicht, wie manche glauben, wird man ihn nicht los.


 
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