© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Ich über mich
Heinrich Lummer hat das neue Buch von Franz Schönhuber gelesen - sein Urteil fällt zwiespältig aus
Heinrich Lummer

Oft schon ist darüber geschrieben worden, daß ein wesentlicher Teil der Wählerschaft in unserem Parteiensystem nicht repräsentiert sei und es deshalb einer Partei der national-konservativen Wähler bedürfe. Vor vielen Jahren bereits hatte Ralf Dahrendorf diesen Sachverhalt bescheinigt. Und wie oft schon haben auf der rechten Seite des politischen Spektrums Versuche stattgefunden, diesem erkennbaren Mangel abzuhelfen: NPD, DVU, Bund Freier Bürger, Schill-Partei, Republikaner. Manche können sich noch an die Deutsche Partei erinnern. Kaum jemand wird sich erinnern, daß an der Wahl 1949 auch eine Deutsche Konservative Partei teilnahm. Alle diese Versuche führten bisher zu keinem durchschlagenden Erfolg.

Sicher haben sich die etablierten Parteien programmatisch angepaßt, als sie erkennen mußten, daß ausländerpolitische Aussagen mit dem Ziel der Zuzugsbeschränkung auf fruchtbaren Boden bei den Wählern fallen. Insofern blieben die Bemühungen auf der rechten Seite nicht ohne Wirkung. Aber einen Weg, wie er auf der linken Seite von den Alternativen und später Grünen beschritten wurde, gibt es auf der rechten Seite nicht.

Manche sehen den Grund für das Scheitern in den vielen Gruppen und Grüppchen, die eifersüchtig nebeneinanderher existieren. Andere führen die geringen Erfolgsaussichten auf die ständige Drohung mit der Faschismuskeule zurück.

Einer der vom Thema etwas wissen muß, hat nun aus dem Schatz seiner Erfahrungen berichtet: Franz Schönhuber. Der heute 79jährige Publizist, der bis zu seinem Sturz 1994 Bundesvorsitzender der Republikaner war, versucht aus dem Aufstieg und Niedergang der Partei seine Lehren zu ziehen. 19 sind es an der Zahl. Und wer sich an der Begründung einer neuen politischen Kraft rechts von der Mitte beteiligen möchte, der sollte diese Lehren lesen. Er muß sie nicht alle beherzigen, aber lesenswert sind sie allemal. Auch wenn sie zuweilen einigermaßen banal daherkommen. Zum Beispiel meint die erste Lehre, für den Start einer neuen Partei bedürfe es einer bekannten Galionsfigur, die "moralisch unangreifbar" sein müsse. Natürlich soll diese Persönlichkeit nicht zu alt und nicht in Partei-Intrigen verwickelt sein. Außerdem sei der richtige Zeitpunkt für einen Versuch jener, da die Altparteien gerade durch Skandale in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert seien. Nun, um das zu wissen, muß man nicht das neue Schönhuber-Buch lesen, denn das ist ziemlich kalter Kaffee.

Eine weitere Lehre, die jeder neuen rechten Kraft den Rat erteilt, um alle Parteien einen großen Bogen zu schlagen, die sich "christlich" nennen, benutzt er, um seine Abneigung gegen CDU und katholische Kirche abzureagieren. Das ist ziemlich billig. Wo christlich stehe, so Schönhuber, sei die Inquisition nicht weit. Da arbeite man mit Daumenschrauben, Stigmatisierung und Existenzvernichtung. Und überhaupt habe die katholische Kirche immer auf seiten der Mächtigen gestanden. Banaler geht's nimmer.

Wer an solchen Handreichungen interessiert ist, der kann sich die Lektüre vereinfachen: Die 19 Lehren sind kursiv gedruckt. In einer halben Stunde hat man seine Lektion intus. Allzuviele Neugründer werden sich für diese Lektüre nicht finden.

Wem es jedoch darum geht, etwas mehr über den Aufstieg und Niedergang der Republikaner zu erfahren und die Rolle, die Franz Schönhuber dabei spielte, der muß auch den Rest lesen. Denn in Wahrheit geht es um Gedanken und Erinnerungen des Vorsitzenden Schönhuber nach dem Motto: Ich über mich. Wenn mich schon sonst keiner lobt, dann muß ich das eben selber machen. So erfährt man, daß Thomas Gottschalk in einer Sendung mit ihm "eingebrochen" sei, daß er sogar Fernsehauftritte im Ausland hatte und dem Spiegel eine Titelgeschichte wert war. Alles bewegt sich zwischen amüsant bis peinlich.

Es ist ein Buch, der sich mit der Geschichte der Republikaner zu Zeiten des Vorsitzenden Schönhuber beschäftigt, und sicher werden diejenigen, die an dieser Geschichte beteiligt waren, eine reizvolle, vielleicht auch zur Gegendarstellung reizende Lektüre finden. Ein langes Personenverzeichnis macht die Lektüre für die Betroffenen einfacher. So kann auch der Rezensent seine Rolle nachlesen, die er aus Schönhubers Sicht gespielt hat. Da ich seit Kreuth der Meinung war, es wäre gut, wenn es rechts von der CDU eine Partei gäbe, damit die CDU sich weiter in der Mitte etablieren kann und rechts keine Wähler für die gemeinsame Sache verlorengehen, sah ich in den Republikanern die Hoffnung auf einen möglichen künftigen Koalitionspartner. Da ich dies auch öffentlich sagte, bekam ich einigen Ärger. Einige Parteifreunde und die lieben Medien fanden das nicht gut.

Die Gespräche mit Schönhuber dienten dem Ziel, ihn und seine Sache kennenzulernen. Dies wollte ich ohne Öffentlichkeit prüfen. Leider hat einer geplaudert - wer wohl? - und damit war der Herr für mich erledigt.

Der Fall Lummer, meint er, hätte ihm eine Lehre sein sollen, "nicht allzusehr auf wertkonservative Kräfte zu setzen". Auf welche will er denn setzen? Mir aber kamen Zweifel, ob man auf ihn werde setzen können. So wie bei der DVU und ihren parlamentarischen Vertretungen geschah es bei den Republikanern in Berlin. Kaum im Parlament, zerfleischten sie sich untereinander und trafen sich mehr vor Gericht als im Parlament.

So sind die Republikaner nicht zuletzt an sich selber gescheitert. Und genau das kann man in Franz Schönhubers Buch "Welche Chance hat die Rechte?" nachlesen. Gut, daß er sich selbst nicht ganz unschuldig sieht. Die Lektüre lehrt wohl, daß man zu neuem Scheitern nicht aufbrechen sollte. Dennoch: Wo aber Gefahr ist, da wächst das Rettende auch. Und da hoffe ich mit Franz Schönhuber.

Franz Schönhuber: Welche Chancen hat die Rechte? Lehren aus Aufstieg und Niedergang der Republikaner. Nation Europa Verlag, Coburg 2002, 212 Seiten, 16,80 Euro


 
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