© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Auf dem Weg in die Verdammnis
Kino: In Sam Mendes' "Road to Perdition" brillieren die Hollywood-Stars Tom Hanks und Paul Newman
Claus-M. Wolfschlag

Väter und Söhne im Loyalitätskonflikt. Die Geschichte spielt im Amerika während der großen Wirtschaftsdepression, genauer: im Winter 1931. Michael Sullivan (Tom Hanks) lebt mit seiner Familie in bescheidenem Wohlstand, den er seinem Doppelleben verdankt. Der treusorgende Ehemann und schweigsame Vater zweier Buben arbeitet heimlich als Auftragskiller für den alten Gangsterboß John Rooney (Paul Newman). Als Sullivans älterer Sohn Michael jr. (Tyler Hoechlin) mißtrauisch gegenüber des Vaters geheimnisvoller Tätigkeit zu werden beginnt und diesem nachts nachspioniert, wird er Zeuge eines Mordes. Zeugen aber kann Rooneys Clan, vor allem John Rooneys hitzköpfiger Sohn Connor (Daniel Craig), nicht brauchen. Connor fährt deshalb heimlich zu Sullivans Haus, ermordet dort dessen Frau und den jüngeren Sohn. Michael Sullivan und sein Sohn Michael jr. überleben dieses Massaker nur durch Zufall. Sie packen das Nötigste und fliehen. Rooney kann nicht glauben, was Connor ihm betrunken beichtet. Er verurteilt die Tat seines Sohnes und versucht vergeblich, Sullivan mit Geld zu besänftigen und von einem Racheakt abzuhalten. Doch als diese Versuche mißlingen, setzt Rooney einen Auftragskiller auf Sullivan an, den unheimlich wirkenden Polizeifotografen Maguire (Jude Law). Gejagt von Maguire fliehen die Sullivans wochenlang quer durchs Land. Während Sullivan seinen eigenen Racheplan schmiedet, kommen er und sein Sohn sich langsam seelisch näher.

Der Titel "Road to Perdition" besitzt eine Doppelbedeutung. So trägt einerseits die Stadt, die das Ziel der Sullivans auf ihrer Reise darstellt, den Namen. Andererseits bedeutet "Perdition" auch "ewige Verdammnis". Die Verdammnis dieses nostalgisch angelegten Mafia-Streifens liegt in den Verstrickungen und komplizierten Loyalitäten, die die organisierte Kriminalität immer mit sich bringt, und von der Michael Sullivan seinen heranwachsenden Sohn abschirmen möchte.

Ein Vater auf der Straße in die Hölle also, der um die Seele seines Sohnes kämpft. Schuld und Reue, Enttäuschung, Loyalität und Familie sind Fixpunkte in dem neuen Streifen von Sam Mendes. Regisseur Mendes, der für sein Regiedebüt "American Beauty" 1999 den Oscar erhalten hat, wählte für sein zweites Werk einen die engen Grenzen des Genres überspringenden Kriminalfilm. Mendes erklärte, warum er sich derart stark von dem Projekt angezogen fühlte: "Das Herz der Geschichte ist natürlich die Vater-Sohn-Beziehung, doch zugleich ist es ein ernsthafter Gangsterfilm, der in den dreißiger Jahren spielt - für mich die letzte mythische Ära Amerikas. Es war die Zeit der Depression und es war noch möglich, sich in der Endlosigkeit Amerikas zu verlieren, wo mystische 'goldene Städte' wie Chicago ihre Blütezeit erlebten. Insofern stand mir dieser unglaublich große und facettenreiche Hintergrund zur Verfügung, vor dem ich die Geschichte erzählen konnte. Von der Struktur her gab es eine ganz klare Linie: Die Story hat 'Drive', sie hält nie an und bewegt sich erbarmungslos voran, angetrieben von dieser faszinierenden Hauptfigur und ihrem moralischen Dilemma."

Darsteller Tom Hanks erklärte zu der von ihm verkörperten, zwiespältigen Hauptfigur: "Während ich das Buch las, fiel mir tatsächlich diese Stelle aus der Bibel ein, wo es heißt: 'Wer Wind sät, wird Sturm ernten.' So ergeht es Michael Sullivan: Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und ein großes Haus in der Stadt - und es ist erkauft mit Angst, Einschüchterung, Gewalt und Blut. Jetzt holt ihn all das wieder ein, und obwohl er damit hätte rechnen müssen, hat er die Realität all die Jahre ausgeblendet und geglaubt, sein Tun hätte keine
Folgen."

So liefert Mendes ein stilsicher und unberechenbar inszeniertes Sittengemälde des amerikanischen Gangstermilieus der dreißiger Jahre, thematisiert zugleich aber auch das schwierige Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen. Dabei tritt neben die leiblichen Vater-Sohn-Beziehungen in den Sullivan- und Rooney-Familien noch das geistige Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Michael Sullivan und dem, hervorragend mit Paul Newman besetzten, John Rooney.

"Road to Perdition" führt wie der Blick durch ein Zeitfenster in die Welt der irischen und italienischen Mafia der dreißiger Jahre. Straßenszenen und Inneneinrichtungen wurden exakt der Zeit nachempfunden, gedreht wurde in und um Chicago, Illinois. Eine spannende, bewegende Handlung und ein magisch in den Bann ziehendes Finale fordern zu einem Kinobesuch der Extraklasse heraus.


 
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