© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
Amoklauf der alten Männer
Afrika: Nach Simbabwe könnten nun auch die weißen Farmer in Namibia vertrieben werden / Hungersnot droht
Peter Lattas

Der Auftritt des Präsidenten von Simbabwe, Robert Gabriel Mugabe, vor dem Uno-Gipfel in Johannesburg schien allen Skeptikern Recht zu geben, die derlei Massenkonferenzen für Zeitverschwendung halten. Unter dem Beifall zahlreicher afrikanischer Delegierter pries der 78jährige Sozialist seine Vertreibungsaktion gegen weiße Farmer im ehemaligen Rhodesien als nachgeholten Befreiungskrieg gegen "britischen Kolonialismus" und die "Ausbeutung" durch Neoliberalismus, den reichen Norden und den Internationalen Währungsfonds. Sein Justizminister Patrick Chinamasa empfahl derweil die chaotische Landreform seines Chefs sogar als "Modell" für die Republik Südafrika. Mugabes Kollege Sam Nujoma droht inzwischen auch den weißen Farmern in Namibia (bis 1919 Deutsch-Südwestafrika) mit Enteignung und Vertreibung.

Internationale Fachleute beurteilen den Amoklauf der alten Männer dagegen als sicheren Weg in eine gigantische Hungerkatastrophe. Seit Wochen verlassen Hunderte von weißen Farmern unter dem Eindruck willkürlichen und gesetzlosen Terrors mitten in der Erntezeit ihren Grund und Boden und versuchen sich und ihre Familien in der Hauptstadt Harare oder im Ausland in Sicherheit zu bringen. 2.900 Farmbesitzer waren bis zum 9. August ultimativ aufgefordert worden, ihr Land zu verlassen. 860 hatten bis Ende August ihren Besitz aufgegeben. 250 wurden bislang verhaftet, weitere 200 wurden festgenommen, weil sie trotz Verbots ihr Land weiter bestellt hatten. Die meisten Betroffenen berichten von unzähligen Morddrohungen, Prügeln und gewalttätigen Übergriffen von "Veteranen des Befreiungskrieges", jedoch meist jungen Leuten, die als dem Präsidenten ergebene Schlägertruppe den Boden für die Übernahme der Farmen bereiten.

Daß in Simbabwe, wie in den meisten afrikanischen Ländern, eine Landreform nötig wäre, bestreitet kaum jemand - auch die Organisationen der Agrarbesitzer nicht. Viertausend weiße Farmer bestellen ein Drittel der Agrarfläche, während sich eine Million schwarze Landarbeiterfamilien ein weiteres Drittel des Bodens teilen. Fakt ist freilich auch, daß Mugabes "Landreform" viel mit einem verzweifelten Rettungsversuch für eine bröckelnde Diktatur, kaum etwas dagegen mit einer Lösung der anstehenden Probleme zu tun hat.

Die juristische Farce ist gut dokumentiert. Am Rande der Johannesburg-Konferenz bemühte sich Jenni Williams, die aus Harare angereiste Sprecherin der Organisation "Justice for Agriculture", um die Widerlegung der Mugabe-Propaganda. Sie sei nicht "Angehörige einer halsstarrigen und rassistischen Minderheit", sondern "Simbabwerin" und stolz darauf. Es gehe auch nicht darum, das Land "den rechtmäßigen schwarzen Besitzern zu geben, die es unter den Umständen der kolonialen Plünderung verloren haben" - drei Viertel der Farmer hätten ihr Land erst nach der Unabhängigkeit erworben. Und schließlich könne von gerechter Verteilung keine Rede sein, wenn selbst staatliche Medien offen zugeben, daß zu den Begünstigten der "Landreform" vor allem Mugabes Paladine gehören - so seine eigene Frau Grace, sowie der Informations- und der Justizminister.

Mugabe, 1980 zunächst Premier, seit 1987 Präsident, konnte zuletzt nur durch Wahlfälschung und Einschüchterung "wiedergewählt" werden. Gegen den Repräsentanten des Mehrheitsvolkes der Shona regt sich zunehmend Widerstand, viele Farmer stehen dem oppositionellen "Movement for Democratic Change" (MDC) nahe. Die Ausrufung eines neuen "Befreiungskrieges" gegen den angeblichen Kolonialismus der Farmer ist vor diesem Hintergrund eine Verzweiflungstat, die von den Folgen jahrelanger Korruption und Mißwirtschaft ablenken soll, Simbabwe aber ins Chaos stürzt.

Längst sind die meisten Opfer des Diktators seine schwarzen Gegner. Verjagt werden nicht nur die weißen Farmer, sondern auch zehntausende schwarze Arbeiter, denen sie ein gesichertes Einkommen gegeben hatten. Auf den Farmen wurden Überschüsse an Mais, Weizen und Tabak erzielt, von denen das ganze Land als "Kornkammer Afrikas" bis vor kurzem noch immer zehrte. Inzwischen liegen weite Landstriche brach, Felder und Weiden wurden verwüstet, die neuen Besitzer sind bestenfalls zu Subsistenzwirtschaft fähig.

Nicht nur der Produktionsverlust, auch der "brain drain" wird dem Land großen Schaden zufügen. Am Flughafen von Harare umwerben bereits die "Headhunter" australischer und britischer Firmen die aus dem Land gedrängten "Engländer". Viele werden nie mehr wiederkommen. Manche rechnen damit, daß nach der vorhersehbaren Hungerkatastrophe die chaotische Landreform widerrufen wird und sie auf ihre Ländereien zurückkehren können.

Die Aussicht einer Hungersnot, die bis zu sechs Millionen Menschen treffen könnte, schreckt Diktator Mugabe nicht: Die Nahrungsmittelhilfe des Westens, die er über das staatliche "Grain Marketing Board" vor allem an eigene Parteigänger verteilen läßt, stärkt seine Position zusätzlich. Ähnlich scheint Namibias greiser Präsident Nujoma zu kalkulieren: Auch er inszeniert einen nachgeholten Bürgerkrieg gegen "rassistische" Farmer, die er zu Sündenböcken für seine gescheiterte Politik machen will.

Tatsächlich ist die kritische Auseinandersetzung mit dieser spezifisch schwarzen Spielart des Rassismus bislang ebenso unterblieben wie eine sachliche Auseinandersetzung über die durchaus ambivalente Politik internationaler Institutionen wie Weltbank und Währungsfonds, deren Auflagen und Entwicklungsprojekte oft genug wenig Rücksicht auf regionale Besonderheiten nehmen und vorhandene Probleme noch verschärfen. Auch die aktuelle "Dürre" in Simbabwe ist nicht zuletzt eine Folge fehlgeleiteter Bewässerungsprojekte.

Österreichs Außenministerin Ferrero-Waldner steht mit ihrer Frage nach Sanktionen gegen Simbabwe ebenso alleine da wie Jenni Williams mit ihrer Aufklärungskampagne - der große internationale "Krieg gegen den Terror" kümmert sich bekanntlich nicht um ein paar tausend weiße Farmer.


 
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