© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002


Blick in die Medien
Abgekanzelt
Ronald Gläser

Die Bundespressekonferenz verrät unendlich viel über die Mediokratie. Gegenstand war die Regulierung der Hochwasserschäden. Der Bundeswirtschaftsminister hält dazu einen Kurzvortrag. In der anschließenden Fragestunde ist das Hochwasser kein Thema mehr. Die Reporter nationaler und internationaler Medien stürzen sich auf den drohenden Krieg mit dem Irak. So groß die Spendenbereitschaft auch war, so schnell verflüchtigt sich ein Thema auch wieder. Eine Reporterin aus dem englischsprachigen Ausland wendet sich an den Bundeskanzler. Dieser hatte seine ablehnende Haltung zum Angriff auf Saddam Hussein bekräftigt. Neue Umfrageergebnisse, so die Journalistin, zeigten, daß eine Mehrheit der Deutschen einen Krieg mit dem Irak befürworte. Noch bevor der Satz zu Ende gesprochen ist, blockt Schröder ab: "Ich mache nicht Außenpolitik auf der Grundlage von Umfragen, die ich nicht kenne." Die Reporterin insistiert. Schröder wiederholt: "Ich mache Außenpolitik nicht auf der Grundlage von Umfragen, die ich nicht kenne." Erst jetzt bekommt er die Kurve und verbessert sich: "Ich mache überhaupt keine Außenpolitik auf der Grundlage von Umfragen." Besser ist das. Tony Blair habe Beweise für Saddams Chemiewaffenprogramm, sagt ein anderer Kollege. Der Kanzler kanzelt auch diesen Fragesteller ab. "Dann soll er die Beweise vorlegen", antwortet Schröder lapidar. Schade ist nur, daß ein wiedergewählter Bundeskanzler Schröder seine klare Haltung in der Irakfrage nach der Wahl vergessen haben wird - so wie die Hochwasseropfer schon jetzt in Vergessenheit geraten. 


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