© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Vergebliche Arbeit
Zusammenbruch und Neubeginn bei der FPÖ
Andreas Mölzer

Auf dem FPÖ-Parteitag am Samstag wird sich die Spreu vom Weizen trennen, und es wird sich weisen, ob und wieweit die Freiheitlichen seit 1986 unter Jörg Haider im Zuge ihres Anwachsens zur Mittelpartei eine Gesinnungsgemeinschaft geworden bzw. geblieben sind.

Das, was sich da in den letzten Wochen abgespielt hat, war keine Tragikkomödie, es war eine Groteske: Da haben einige jener zu höchsten Staatsämtern gelangten Personen, deren politische Biographie sich darauf beschränkt, zuvor Haiders Mitarbeiter gewesen zu sein, geglaubt, sie hätten genug politisches Eigengewicht, um auf ihren Mentor zu verzichten. Seine gewiß immer wieder sprunghaften und verbal radikalen Forderungen glaubte man leichterdings abtun zu können, auch wenn diese, siehe Abfangjäger, siehe Steuerreform, bewiesen, daß er nach wie vor ein Gespür für die Meinung des Volkes hat, was die Freiheitlichen zum Überleben im Wahljahr 2003 bitter notwendig gehabt hätten.

Man demütigte Haider also und ließ ihn wissen, er möge endlich Ruhe geben. Als er dann hin- und her gerissen demonstrierte, daß er die Basis immer noch hinter sich hätte - das FPÖ-Treffen in Knittelfeld war kein Putsch, sondern eine Demonstration der innerparteilichen Basisdemokratie - gingen den Herrschaften die Nerven durch. Man hat seine Ämter hingeschmissen. Die vollmundigen Aussagen, man arbeite für das Land und die Leute, die schönen Töne von der Partei, deren Wohl einem über alles gehe, all das war gleichgültig. Innerhalb von Stunden schmiß man beleidigt alles hin und gab damit der ÖVP die Gelegenheit, eine taktisch geschickte Konsequenz zu ziehen und die Regierung aufzulösen.

Der kritische Beobachter, aus dem historisch gewachsenen national-liberalen Lager kommend, muß da zu dem Schluß kommen, daß das Ende einer persönlichen Freundschaft - wenn die Herrschaften wissen, was Freundschaft ist - mit dem alten politischen Mentor und der Verlust hoher Würden Grund genug ist, um ein politisches Projekt nicht nur zu schädigen, sondern zu zerbrechen. Nachdem man keine Ideologie hat, ist ohnedies alles gleich. Und Rücksicht auf die Mitarbeiter und auf die mehr als eine Million Menschen, die politische Hoffnungen in einen setzten, scheint es auch nicht zu geben.

Dann die kurzzeitige Konsolidierung am 9. September: Bei der Parteileitungskonferenz in Linz ließ sich Haider breitschlagen, die Partei wieder zu übernehmen, obwohl er dies definitiv ausgeschlossen hatte. Sozialminister Herbert Haupt, der Treue, der Redliche, der Kompetente, weltanschaulich Gefestigte wollte den Spitzenkandidaten geben, trotz geringer Aussichten und schlechter Umfragewerte. Da konnte beim wohlmeinenden Beobachter zaghafter Optimismus aufkommen. Der Parteitag am 21. September müßte nur noch Geschlossenheit demonstrieren, dann würden sich die Freiheitlichen schon wieder konsolidieren.

Und dann der finale Tusch letzten Sonntag: Jörg Haider schmiß - endgültig? - hin. Er habe nunmehr erst die wahren Hintergründe gehört, womit er andeutete, daß beim geplanten oder womöglich doch schon fixierten Abfangjägerkauf nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Die Wiener Partei möge doch mit den Lobbies im Hintergrund machen, was sie wolle und die FPÖ zum "maßgeschneiderten Koalitionspartner" für die ÖVP machen.

Ratlosigkeit und Resignation breiteten sich aus und die Häme der Gegner war grenzenlos: Die FPÖ befinde sich in Auflösung, Haider fliehe vor der Verantwortung angesichts schlechter Umfragewerte und allzu geringer Bejubelung durch seine eigene Parteibasis.

Wenn die Dinge so bleiben, was nicht gewiß ist, befindet sich die FPÖ im freien Fall auf ihre Kernwählerschichten, und deren Stärke liegt dort, wo sie vor 20 Jahren lag. Was der Parteitag ergeben wird, wissen wir nicht, eine regierungsfähige Partei wohl kaum. Jene, die keine Gesinnung und ihre Schäfchen ins Trockene gebracht haben, werden sich ohnedies absentieren. Bleiben werden die Tiefwurzler und - was schlimm genug wäre - jene, die mangels Beruf und anderer Fähigkeiten in einer Parteifunktion ihre einzige materielle Absicherung sehen.

Wenn sich da nach dem Ende des Haider-Projekts eine Kleinpartei von inhaltlicher Beliebigkeit, politisch korrekt, ideologisch desorientiert und - man denke an Verteidigungsminister Herbert Scheibner - anschmiegsam an die etablierten Machthaber herauskristallisierte, im klaren Bruch zur Haider-FPÖ, aber auch in völliger Absetzung zu den national-liberalen Traditionen des alten Dritten Lagers, wären die vergangenen 20 Jahre politisch absolut sinnlos gewesen.

Der rot-schwarze Proporz dürfte sich die Republik wieder aufteilen, an die Norbert Steger-FPÖ vor 1986 könnte man nostalgische Erinnerungen entwickeln und die politischen Projekte der linksliberalen Heide Schmidt wären geradezu sinnvoll gewesen, hätten sie uns doch ein Jahrzehnt vergeblicher politischer Arbeit erspart. Gedanken dieser Art mögen es sein, die gegenwärtig in den Köpfen gestandener Freiheitlicher herumwirbeln.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit".


 
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