© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Auch die Umweltpolitik steht zur Entscheidung
Bundestagswahl: Alle Parteien wollen die Natur schützen, doch die Konzepte und Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich
Volker Kempf / Jörg Fischer

Der Umweltschutz hat in diesem Wahlkampf eigentlich kaum je-manden wirklich interessiert, bis die große Flut kam. Zum Umweltschutz stellen daher fast alle Parteien Maßnahmen in Aussicht und geben Zielrichtungen vor, die sie in Regierungsverantwortung verfolgen wollen.

Dabei wollen alle eine Expansion der Wirtschaft, also die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen, was auf Kosten der Umwelt stattfindet. Unter diesem Vorzeichen wird gestritten, wie dennoch die Umwelt geschont werden kann:

- Die Sozialdemokraten mit ihrem amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder bieten in ihrem Wahlprogramm wenig Konkretes, reden aber viel von einer "nachhaltigen Entwicklung". Auf eine Förderung der regenerativen Energie bei gleichzeitigem Energiemix mit der heimischen Braun- und Steinkohle setzt die SPD. Die Ökosteuer wird im Wahlprogramm nicht erwähnt, sondern mit der Rede von einer "Strategie weg vom Öl" angedeutet.

Eine Effizienzsteigerung "um den Faktor 4" sei mittelfristig zu realisieren: "Wir wollen Güter und Dienstleistungen mit nur noch einem Viertel des heute benötigten Rohstoff- und Energieeinsatzes produzieren." Ein schönes Ziel, das aber der Antwort harrt, ob die Ingenieure denn bisher geschlafen haben, daß sie einen so gewaltigen Effizienzspielraum nicht schon längst annähernd ausgeschöpft haben, indem sie etwa Autos mit einem Viertel des üblichen Metalls anbieten.

- Die Unionsparteien CDU und CSU mit ihrem Kanzlerherausforderer Edmund Stoiber heben in ihrem Wahlprogramm darauf ab, daß sich die Ökosteuer als "ökologisch kontraproduktiv" erwiesen habe, was aber nicht belegt wird. Weiter heißt es: "Unser Ziel ist es, die Ökosteuer in der bestehenden Form mittelfristig abzuschaffen und sie durch eine aufkommens- und wettbewerbsneutrale europaweit abgestimmte, harmonisierte und schadstoffbezogene Abgabe zu ersetzen." Die von der rot-grünen Bundesregierung 1999 eingeführte Ökosteuer soll 2003 beibehalten, aber nicht durch eine weitere Stufe ausgebaut werden. Ein Ausstieg aus der Kernenergie löse zudem nicht die Klimaprobleme und schaffe Abhängigkeiten gegenüber dem Ausland. Die Union hebt auf "Energieeinsparung" und "rationelle Energieverwendung" ab und betont auch den Einsatz von "erneuerbarer Energie". Die "staatliche Energieforschungsförderung" wollen die Unionsparteien "nach oben korrigieren".

- Bündnis '90/Die Grünen erklären die Ökologie zu ihren "Grundwerten" und versprechen, an der Ökosteuer festzuhalten und sie weiter ausbauen. Die Kohlesubvention wollen die Bündnisgrünen bis 2010 hingegen abbauen. Der Emissionshandel soll eingeführt werden. Messen lassen will sich die vergleichsweise junge Partei am "Ziel, bis 2020 ... alle Treibhausgase um mindestens ein Drittel zu senken ..." Finanzielle Anreize und gesetzliche Regelungen sollen die Industrie und das Gewerbe zum sparsamen Umgang mit Energie anhalten. Ab 2003 sollen die ersten Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Der Anteil erneuerbarer Energien soll hingegen bis 2006 eine "Verdoppelung" erfahren.

- Die FDP sieht das ganz anders: Sie will die Ökosteuern "rückgängig" machen. Der rot-grüne Abschied von der Atomenergie wird als klimaschädlich abgelehnt. Gefordert wird von den Liberalen aber ebenfalls ein Emissionshandel. Der Anteil erneuerbarer Energie soll erhöht werden, aber nicht durch Subventionen, wie das gegenwärtig der Fall sei, sondern durch markwirtschaftliche Maßnahmen. Subventionen für die Kohle will die FDP streichen. Die Abfallwirtschaft soll "vollständig in privatwirtschaftliche, wettbewerbliche Strukturen überführt werden." Der Naturschutz, den die amtierende Bundesregierung zur Freude der Naturschutzverbände insbesondere durch die Einführung eines Verbandsklagerechts gestärkt hat, soll hingegen zurückgenommen werden.

- Auch die PDS hat der Umwelt einen Absatz in ihrem Programm gewidmet. Die Losung heißt: Energiewende statt Atomenergienutzung. Gefördert werden sollen regenerative Energieträger der Solar- und Wasserstofftechnik. "Der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen sollen in der kommenden Wahlperiode so gesenkt werden, daß die für die Mitte des Jahrhunderts allgemein anerkannten Ziele für den Klimaschutz erreicht werden." Auf dem Weg zu diesem Ziel soll die - da das Aufkommen in die Rentenkasse fließt - "sogenannte Ökosteuer" durch eine allgemeine "Primärenergiesteuer" ersetzt werden.

- Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Hamburger Innensenators Ronald Schill führt in ihrem eiligst vorgelegten Programm noch keine eigene Rubrik zur Umwelt an. Wohl aber findet sich in ihrem Leitlinienpapier zur Bundestagswahl immerhin ein Bekenntnis zum "Gedanken der Nachhaltigkeit". Zudem fordert die Schill-Partei die für eine ressortübergreifende Umweltpolitik so wichtige Entflechtung von Filz und Korruption und damit die Wiedergewinnung rationaler Handlungslogiken: "Es muß Schluß sein mit der Vermischung von Mandat und Eigeninteressen."

- Die NPD plädiert für Verkehrsvermeidung statt "umweltschonender Naturzerstörung" und fordert die "kostenlose Nutzung des ÖPNV durch Kinder". Alle gentechnisch veränderten Waren sollen "der Kennzeichnungspflicht unterliegen". Der Wald soll durch "staatliche Fördermittel" erhalten und durch "Umforstungsprogramme" in "natürliche Mischwälder" verwandelt werden. "Ferner wäre der Einsatz von Kräften eines staatlichen Arbeitsdienstes für Kriminelle und Drogenkranke in Therapie im Bereich der Forstwirtschaft denkbar, da auf diese Weise staatliche Gelder gespart werden können", schlägt die NPD zur Finanzierung vor.

Die Ökologisch-demokratische Partei (ÖDP) wie die Tierschutzpartei sind schon vom Namen her der Natur verpflichtet, doch sie treten - wie die Republikaner - nicht bundesweit an.


 
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