© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Prämierte Gewaltorgien
Vertreter der Bundesregierung zeichnen die Internetplattform Indymedia mit einem Preis aus
Manuel Ochsenreiter

Die konsequent kleingeschriebe ne Erfolgsmeldung ließ nicht lange auf sich warten: "nach der qualwerbung der npd-faschisten in unserem kiez wurde eine erfolgreiche gegenmasznahme durchgeführt. hierbei wurde die werkstatt des fascho-kandidaten für bln-libg albrecht reither warm saniert. faschos angreifen auf allen ebenen mit allen mitteln."

Der Schreiber nennt sich "Autonome Antifa". Jemand mit dem Spitznamen "Warhead" freut sich ganz besonders über den gelungenen Anschlag auf einen Strommasten am Berliner Flughafen Tempelhof. "Alle Tage Sabotage" reimt er ins Forum.

"Mr. Burns" hält eine besondere Empfehlung für den Umgang mit Andersdenkenden bereit: "deshalb ist es wichtig, ihnen keinen raum zu lassen, überhaupt das maul aufzumachen und lieber auf ihr eigenes zu schlagen." In den Foren der Internetplattform Indymedia geht's kräftig zur Sache. Wer auf sich was hält, langt - zumindest erstmal verbal - beherzt zu. In seiner Selbstdarstellung bezeichnet sich Indymedia als "ein internationales Netzwerk von Medieninitiativen und AktivistInnen für unkommerzielle Berichterstattung von unten."

Szenenwechsel. Am Pariser Platz unweit des Brandenburger Tors finden sich am 28. August etwa 250 festlich gekleidete Gäste aus Medien, Wirtschaft und Politik in der DZ-Bank ein. Im gediegenen Ambiente soll an dem Abend ein Preis verliehen werden, der "poldi-Award", "Deutschlands erste Auszeichnung für praktizierte eDemocracy". Initiatoren des Preises sind die Bundeszentrale für politische Bildung, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der pol-di.net e.V. Als Sponsoren des Preises treten die Unternehmen Cisco Systems und GFT Technologies auf.

Der Schirmherr des Preises, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, Julian ("nie-da") Nida-Rümelin, machte seinem Spitznamen alle Ehre und war bei der Preisverleihung nicht persönlich anwesend. Durch das abendliche Festprogramm führte der Leiter und Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios, Thomas Roth. Prämiert wurden Internet-Auftritte der Kategorien "Gesundheit & Soziales", "Wissen, Bildung & Kultur", "Umwelt und nachhaltige Entwicklung" sowie ein mit 5.000 Euro von der Firma Cisco Systems gesponserter Publikumspreis für die "Beste Online-Initiative für Demokratie & Bürgerengagement".

Als letzter im Bunde tritt Thomas Krüger auf, Chef der renommierten Bundeszentrale für politische Bildung. Krüger, einst Jugendsenator in Berlin und später SPD-Hinterbänkler im Bundestag, katapultierte sich zur Bundestagswahl 1998 mit Nacktbildern auf seinen Wahlplakaten in die Medienöffentlichkeit. Heute bestimmt der Thüringer Theologe die Richtlinien politischer Bildungsarbeit. In dieser Eigenschaft ist Krüger sowohl Jurymitglied, als auch Pate des Poldi-Preises. Er läßt es sich auch nicht nehmen, den Preis der Kategorie "Wissen, Bildung & Kultur" persönlich zu überreichen - an die Internetplattform Indymedia.

Die Tatsache, daß diese Plattform mit ihren verbalen Gewaltorgien auch dem Verfassungsschutz aufgefallen ist, hinderte die neben Krüger hochkarätig besetzte Jury nicht, Indymedia den Preis zu geben. Neben dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem Redaktionsleiter des Internetauftritts der ARD-Tagesschau (tages-schau.de), Jörg Sadrozinsky, sitzt auch die Präsidentin der Burda Akademie, Christa Maar, in der Jury. Besonders pikant - Brigitte Zypries, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, ist ebensfalls mit von der Partie. Die 48jährige Juristin fühlt sich als eine "Verwaltungsmodernisiererin" und bekannte gegenüber der Financial Times Deutschland: "Ich habe meine Karriere Schröder zu verdanken."

Zypries, die - um ihrer Schmähung der ihr verhaßten "preußischen Beamtenmentalität" besondereren Nachdruck zu verleihen - "zu Besprechungen Obstsalat, drei Sorten Eis und einem Mitarbeiter, der es besonders süß mag, ´ne Extraportion Sahne reicht"(Financial Times Deutschland), hat mit der Haßpropaganda bei Indymedia anscheinend weit weniger Probleme. Ihre Rolle bei der Preisvergabe wurde vom Hamburger Innensenator Schill scharf kritisiert. "Ein Skandal, daß eine Staatssekretärin des Dienstherrn des Verfassungsschutzes an der Vergabe einer Auszeichnung für Verfassungsfeinde beteiligt war. In einem solchen Fall muß man die Mitarbeit in der Jury sofort einstellen und öffentlichen Druck gegen eine entsprechende Entscheidung machen."

Dem Verfassungsschutz war vor allem die zynische Kommentierung der terroristischen Anschläge auf das World Trade Center sowie das Pentagon auf "der von Linksextremisten genutzten Internet-Homepage Indymedia" ein Dorn im Auge. So zitiert der Verfassungsschutz eine Stellungnahme: "Wir trauern vor allem um die Opfer der imperialistischen USA-Außenpolitik in Lateinamerika (Chile, Kuba, ...), Japan (Hiroshima und Nagasaki), Irak, Israel/Palästina, Jugoslawien, Vietnam, ... Um die ganzen SchreibtischtäterInnen im Pentagon, die für weltweiten Terror, Folter, Mord und Totschlag verantwortlich sind, brauchen wir nicht zu trauern." Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die Jury nicht weiß, mit wem sie es bei Indymedia zu tun hat. So gibt Krügers Bundeszentrale für politische Bildung, deren Zielsetzung es ist, "das Bewußtsein für Demokratie und politische Partizipation" zu fördern, das Magazin fluter heraus. Dort ist in der September-Ausgabe ein Artikel über Indymedia zu lesen, in dem es heißt: "So gab es in der letzten Zeit nicht nur Artikel engagierter Globalisierungskritiker, sondern auch radikale linksextreme Beiträge und Postings, die sowohl das deutsche Grundgesetz verletzten als auch das sich selbst gegebene 'mission statement' mißachten - nämlich 'keine Beiträge menschenverachtenden Inhalts zu veröffentlichen'. Die linksextremen Hetz-Artikel haben den deutschen Verfassungsschutz veranlaßt, die Seiten von Indymedia zu beobachten."

Und auch Staatssekretärin Zypries, der als Neue-Medien-Expertin quereingestiegenen Verfassungsjuristin kann nicht entgangen sein, wen ihr Dienstherr da ins Visier genommen hat.

Ansässig ist Indymedia im - aus der autonomen Hausbesetzerszene hervorgegangenen - Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. Er ist seit mittlerweile über zwanzig Jahren eine Art Drehscheibe für linksautonome Projekte wie zum Beispiel das Antifaschistische Info-Blatt der "Antifa Jugendfront", das "autonome Infoblatt" interim, den Buchladen und Verlag "Schwarze Risse" oder das "Netzwerk-Selbsthilfe", welches die Finanzierung autonomer Projekte organisiert - natürlich auch aus steuerfinanzierten staatlichen "Fördertöpfen".

Ins Gerede kam der Mehringhof vor drei Jahren. Nachdem im November 1999 die Festnahme eines "Sprengstoffspezialisten" der linksterroristischen "Revolutionären Zellen" erfolgte, zeigte sich dieser in hohem Maße auskunftsfreudig. So plauderte er ausgiebig über Sprengstoff- und Schußwaffenattentate sowie über große Mengen versteckten Sprengstoffs im Berliner Mehringhof. Eine daraufhin stattfindende Razzia verlief für die Behörden jedoch erfolglos. Sprengstoff konnte nicht gefunden werden.

Daß es in einem solchen Umfeld ungern gesehen wird, wenn Journalisten diese Zusammenhänge thematisieren, mußte Guido Heinen von der Welt erfahren. Er war einer der ersten Journalisten, die die Öffentlichkeit über diesen Mißstand in Kenntnis setzten. Kurz darauf wurde Heinen von den Indymedia-Nutzern ins Visier genommen. Ihm wurden dort "verfassungsfeindliche Äußerungen" sowie "Affinitäten zu rechtsextremen Kreisen" unterstellt. In Antifa-Manier wurde in der nachfolgenden Diskussion das Fadenkreuz auf Heinen justiert. "Wer mehr über den rausbekommt, kann es ja hier posten. Ist vielleicht wirklich mal interessant, was das so für Typen sind, die sowas schreiben", läßt "zeitungsleser" dort verlautbaren. Jemand der sich "Patriot II" nennt, antwortet prompt: "Der genannte Welt-Redakteur entstammt offenbar aus diesem Grenzspektrum zwischen CDU und Neo-Nazis."

Ganz genau weiß es "Holmes". Nach einem Lebenslauf Heinens führt er weiter aus: "Typ: ehrgeizig, autoritätshörig, selbstüberzeugt, dogmatisch, eifernd, leicht cholerisch." Zitate und Äußerungen Heinens, die seine ablehnende Haltung gegen die Homo-Ehe dokumentieren, müssen weiter als Beweise für dessen "Rechtsextremismus" herhalten.

Welt-Redakteur Heinen wehrte sich erfolgreich juristisch gegen die linksextremen Diffamierngen -Indymedia nahm diese prompt aus dem Netz. Verschnupft schreibt dort nun ein Fabian Fehlauer: "Die Bezeichnung von Indymedia als 'linksextreme Website' ist eine Unwahrheit. Wäre Indymedia eine 'Persönlichkeit', so würde sie Heinen verklagen. Aber Indymedia ist nicht eine, sondern tausende Persönlichkeiten, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen - und denen die Diffamierungen durch Dr. Guido Heinen gründlich am Arsch vorbei gehen."

Der anonyme "Zeitungswegwerfer" findet es pflichtschuldigst "empörend, auf welche Weise Stimmung gegen Oppositionelle gemacht wird." Er meint damit natürlich nicht Heinen, sondern Indymedia. Weiter heißt es in "Zeitungswerfers" Kommentar: "Ich hoffe, der Text erscheint auf anderen Seiten, wo der Herr nicht so leicht rankommt. Was passiert mit den Kommentaren unter dem Text? Da waren ja einige 'Enthüllungen' über diesen 'Journalisten' enthalten. PS: Wenn der Indy-Server in den USA steht, hätte Heine (sic!) auch nicht wirklich was machen können. Aber schon ok, wenn ihr vorsichtig seid."

Der Verdacht liegt nahe, daß zumindest die Jury des "Poldi-Awards" sehr genau wußte, wen sie da prämiert. Denn bei Indymedia koordinieren autonome Gruppen ihre Stör- und Einschüchterungsaktionen vor allem gegen die Schill-Partei, Republikaner und NPD, aber auch gegen Unions-Veranstaltungen.

Der Initiator des "poldi-Awards", die Nachrichtenplattform politik-digital, freut sich in der Nachlese vor allem über den "Ansatz aller Preisträger, Brücken zu bauen zwischen sich und der Öffentlichkeit. Die Überwindung von scheinbar unüberwindbaren Barrieren im Internet wie im normalen Leben machten diesen Abend zu einem besonders gelungenen Event".


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen