© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Eine Begegnung
Dieter Stein

Auf die "Geächteten" Salomons stieß ich, nachdem ich als Gymnasiast Ernst Jüngers "In Stahlgewittern" und Richard Scheringers "Das Große Los" verschlungen hatte. Zur Autobiographie des Kommunisten Scheringer hatte der Nationalist Ernst von Salomon das Vorwort verfaßt. Wie das zusammenpaßte? Sie waren Freunde! Doch wer war dieser Salomon?

Eine merkwürdige Zeit, in der ein 16jähriger Schüler in preußischer Kadettenuniform an einem Novembertag im Jahre 1918 auf die Straße tritt. Salomon wird von revoltierenden Soldaten verprügelt, die in ihm einem Vertreter des soeben gescheiterten Kaiserreichs die Hosen stramm zu ziehen gedachten.

Dieses Erlebnis ermutigte ihn erst recht dazu, sich kurz darauf bei den Freiwilligenverbänden der sich formierenden Freikorps zu melden, die die Ostgrenzen des Reiches in Ostpreußen und Schlesien gegen Eindringlinge aus Polen und dem Baltikum verteidigen sollten. Über die Freikorps gelangt er in die schillernde rechtsnationale Szene der Bürgerkriegs-Republik. Salomon wird zum Terroristen.

Schwer lastete auf ihm sein Leben lang die Beteiligung an der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau. Salomon stand Schmiere, als Freikorpskämpfer 1922 in Berlin Rathenau feige erschießen. Es war nicht nur ein Kapitalverbrechen, sondern auch der Mord an einem Politiker, der die Fähigkeit besessen hätte, die Republik zu bewahren und Deutschland aus den Fesseln von Versailles zu befreien.­­ Salomon sitzt hierfür fünf Jahre Zuchthaus ab, in denen er "politischen Ballast" abwirft und zu schreiben beginnt.

Carl Zuckmayer schrieb in seinem "Geheimreport" 1943/44 für den amerikanischen Geheimdienst: "Er meinte es vollkommen ehrlich mit seiner Abkehr vom nationalistischen Verschwörertum, demagogischem Antisemitismus und völkischem Ressentiment. (...) Es ist schon eine ziemliche Charakterleistung, daß er sich nicht von den Nazis zum 'Helden' und Märtyrer machen ließ, er hätte sich leicht einen Schlageternimbus verschaffen können. (...) Sein menschliches Niveau war zu gut, um sich im Nazitum abbiegen zu lassen."

Zu Salomons Kennzeichen wird sein ironischer Stil, der vor allem in seinem wichtigsten Werk, dem "Fragebogen", zur Geltung kommt. Der 1952 veröffentlichte "Fragebogen" wird zum ersten politischen Bestseller der jungen Bundesrepublik. Der "Fragebogen" ist eine furiose Autobiographie, in der sich die Geschichte der Weimarer Republik und des Dritten Reiches fantastisch spiegelt. Es gibt bis heute kein besseres Buch über die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Hier begreift man, weshalb sich in dieser Generation gerade die Besten der Demokratie von Weimar verweigerten, weil sie sie nicht als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens sondern als Symbol der schmählichen Bedingungen des Versailler Vertrages empfanden. Die Republik und Versailles waren eins, so die bittere Konsequenz. Doch bei Salomon lernt man schließlich auch die Verachtung eines preußischen, revolutionären Nationalisten für das verbrecherische Regime kennen, das durch die Depression der Weimarer Republik 1933 an die Macht gespült wurde.


 
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