© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
"Schill hat uns den Wahlsieg gekostet"

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger über die Wahlniederlage der Union, das "heiße Eisen" Zuwanderung und das Problem Schill
Moritz Schwarz

Herr Straubinger, nach einem spannenden Wahlabend wurde am Sonntag gegen Mitternacht klar, daß Gerhard Schröder doch Kanzler bleibt. Wie war die Stimmung, als sich dieser Trend abzeichnete?

Straubinger: Wir haben uns die Laune nicht verderben lassen. Denn trotz der Enttäuschung ist das Ergebnis ein großartiger Erfolg der CDU/CSU. Vor einem Jahr hätte uns doch niemand eine Chance gegeben, solch ein Ergebnis zu erreichen. Und hätte es nicht die Elbeflut gegeben, wäre unser Erfolg noch größer gewesen.

Großartiger Erfolg? Die Union hat nicht nur den Wettkampf um die Sitze im Bundestag und damit die Kanzlerschaft verloren, mit 38,5 Prozent ist die CDU/CSU nicht einmal ihren eigenen Ansprüchen gerecht geworden, denn die Union ist eigentlich eine 40-Prozent-Partei.

Straubinger: Das ist richtig, und leider konnten wir zum Beispiel unsere Wähler in den neuen Bundesländern nicht ausreichend mobilisieren.

Edmund Stoiber hat eindeutig die schlechteren Umfragewerte gehabt. Müssen Sie sich nicht eingestehen, daß die Niederlage trotz allen Jubels für den Kandidaten am Sonntagabend mit auf sein Konto geht?

Straubinger: In der Tat lag Edmund Stoiber in den Umfragen zurück, aber mit welchem Kandidaten hätte die Union sonst in den Wahlkampf gehen sollen? Wir haben den besten verfügbaren Kandidaten präsentiert.

Das konservative Klientel der Union hat bald bemängelt, das einstige "blonde Fallbeil" habe sich weichspülen lassen. Wären vielleicht mehr als die schwachen 38,5 Prozent - und damit die Kanzlerschaft - möglich gewesen, wenn Stoiber authentischer aufgetreten wäre?

Straubinger: Diese Diskussion im nachhinein zu führen, halte ich für müßig. Das eigentliche Problem war, daß unsere Themen, die Stärkung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, von der Elbeflut und Schröders Irak-Kampagne überlagert wurden.

Hätte eine klare Thematisierung des Zuwanderungsproblems nicht für eine weniger leicht zu verwischende Wahlkampfkonturierung gesorgt?

Straubinger: In der Tat habe ich während meines Wahlkampfes erlebt, welch große Zustimmung man erntet, wenn man dieses Thema in den Mittelpunkt stellt. Ich glaube aber, daß sich die Wähler - und das zeigen unsere Ergebnisse in Bayern - mit ihren diesbezüglichen Sorgen bei uns aufgehoben fühlen.

Sie haben mit 72,8 Prozent der Zweitstimmen in Ihrem Wahlkreis das beste Ergebnis für die CSU erkämpft und gelten als konservatives Urgestein. Zeigt das nicht, daß ein konturiertes konservatives Profil bei den Wählern durchaus ankommt?

Straubinger: Das ist richtig, das Problem war aber, daß nicht alle Teile der Union bereit waren, etwa die Zuwanderung in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen. Wir hätten einen Streit à la FDP riskiert.

Zum schwachen Ergebnis der Union kam noch eine enttäuschende FDP. Hätte die Union nicht frühzeitig durch die Förderung der Schill-Partei für einen weiteren Koalitionspartner sorgen müssen, um eventuell durch das Hamburger Modell zum Erfolg zu kommen?

Straubinger: Nein, im Gegenteil. Die Schill-Partei hat uns den Wahlsieg gekostet! Zwar hat Schill nur 0,8 Prozent erreicht, aber uns damit die in dieser Patt-Situation entscheidenden Zehntel gekostet.

Die Schill-Partei ist aber nun einmal angetreten, wäre es also nicht klüger gewesen, eine Strategie mit ihr, statt gegen sie zu suchen?

Straubinger: Zu einer soliden Partnerschaft ist die Partei Rechtsstaatlicher Offensive doch gar nicht zu gebrauchen. Die Schill-Partei stellt eine Zersplitterung dar und ihre Anhänger, die schließlich auch eine andere Regierung gewollt haben, hätten gut daran getan, ihre Stimmen der CDU/CSU zu geben.

Die SPD hat aus ihrer einstigen Not mit den Grünen eine Tugend und Rot-Grün zum Erfolgsmodell gemacht.

Straubinger: Ich bin überzeugt, die Schill-Partei wird nur eine Episode bleiben.

Edmund Stoiber machte deutlich, er rechne mit einem frühzeitigen Zusammenbruch der rot-grünen Mehrheit. Zweckoptimismus oder realistische Aussicht?

Straubinger: Durch die Wahl sind einige extrem linke sozialdemokratische Abgeordnete, zum Beispiel der bayerische Juso-Vorsitzende Florian Pronold, oder auch der grüne Direktkandidat Christian Ströbele, in den neuen Bundestag gekommen. Der Bundeskanzler sieht sich also einem Linksdrall in seiner Fraktion gegenüber, insofern werden die kommenden Herausforderungen für ihn nicht leicht zu bestehen sein.

 

Max Straubinger ist Mitglied des Deutschen Bundestages. In seinem Wahlkreis (Rottal-Inn) erzielte die CSU am vergangenen Sonntag den höchsten Zweitstimmenanteil in ganz Bayern. Der Versicherungsfachman vertritt seine Partei seit 1994 im Bundestag. Geboren wurde er 1954 in Oberlucken bei Landau.

 

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