© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Im Norden nichts Neues
Landtagswahl: In Mecklenburg-Vorpommern verschiebt sich lediglich der Stimmenanteil der regierenden SPD/PDS-Koalition
Christian Anders

Harald Ringstorff, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und erstmaliger Tabubrecher in Sachen rot-roter Koalition, hatte in der vergangenen Legislaturperiode wenig Erfolge zu verzeichnen. Die versprochenen 20.000 neuen Stellen im Land mit der zweithöchsten Arbeitslosenquote Deutschlands blieben aus. In der Tourismusbranche waren durchaus Zuwächse zu verzeichnen, ansonsten war von einem Anstieg der Wirtschaftskraft nichts zu merken. Statt der erwünschten Erfolgsmeldungen über neue Investoren prägten die Nachrichten über alte Stasi-Seilschaften und sonstige "Beiträge zur inneren Einheit Deutschlands" (Ringstorff) das Bild von der Regierung im Bundesland zwischen Elbe und Stettiner Haff.

Bei einer Umfrage von infratest dimap gaben daher 58 Prozent der Befragten vor der Wahl an, mit der Landesregierung "weniger" bis "gar nicht" zufrieden zu sein. Um so verwunderlicher war es da, daß die Landtagswahl in Mecklenburg Vorpommern bereits wenige Wochen vor dem eigentlichen Urnengang keinerlei Anlaß zur Hoffnung auf ein baldiges Ende der tiefroten Koalition gab. Alle Umfragewerte sprachen schon vorab von einem äußerst komfortablen Vorsprung von SPD und PDS und somit für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit den SED-Nachfolgern. Da die Diskussionen über eine große Koalition von der Mehrheit der namhaften SPD-Abgeordneten im Schweriner Landesparlament und von Ringstorff selbst von vornherein als "überflüssig" betrachtet wurden, lieferte der Wahlabend wenig Überraschungen. Ins Auge fielen zunächst aber sicherlich die massiven Stimmverluste der PDS:

An ihrem Wahlziel von "25 Prozent plus XXL" seien die Genossen mit beinahe neun Prozent "klar gescheitert", so die Spitzenkandidatin der PDS, Angelika Gramkow. Die erzielten 16,2 Prozent waren aber schon deswegen wenig verwunderlich, da sich die Postkommunisten in den letzten vier Jahren so fest an die Regierungssessel klammerten, daß sie jede Demütigung seitens ihres Koalitionspartners hinzunehmen bereit waren. Im Bundesrat etwa stimmte Ringstorff für die Rentenreform und damit gegen seine vorherige Absprache mit dem Koalitionspartner. Derlei Belastungen wurden von prominenten PDS Strategen zähneknirschend akzeptiert. Der stellvertretende Ministerpräsident Holter (PDS), der nach seinen unzähligen Affären und in Sorge um sein Amt mehr und mehr auf Kuschelkurs zum großen Koalitionspartner ging, sprach gar von einem "Prima-Klima-Club". Für die PDS galt es - trotz aller Schwierigkeiten -, sich als Regierungspartei zu etablieren, was die programmatischen Unterschiede zwischen Sozialdemokraten und Post-Kommunisten jedoch zunehmend schwinden ließ.

Moralisch war der Tabubruch einer SPD/PDS Koalition zu keinem Zeitpunkt legitim. Aus parteipolitischer Betrachtungsweise war die Zusammenarbeit der SPD mit den SED Nachfolgern für Ringstorff jedoch durchaus dienlich. Das Land verharrte in den Jahren der rot-roten Zusammenarbeit zwar in Stillstand und Lethargie, die machtpolitischen Erwägungen Ringstorffs jedoch gingen auf.

Neben den bundespolitischen Themen, wie dem Rücktritt des Salonsozialisten Gysi, wurde die PDS vor allem in der Landespolitik durch ihre Beteiligung an der Regierung entzaubert. Da nützten auch die gönnerhaften Bemerkungen Ringstorffs, die PDS könne "mittlerweile sogar mit Geld umgehen", wenig. Holter etwa jammerte über die Schwierigkeiten, die seine Partei mit dem Wahlkampf aus einer Regierungsverantwortung heraus hatte: "Wir haben die Akzente unserer Politik nicht deutlich setzen können." Was gut war in der Koalition, wurde der SPD zugerechnet, das Negative hingegen wurde der PDS angehängt, so die Spitzenkandidatin Gramkow. Viele einstige Wähler dürfte die opportune Nachgiebigkeit der PDS im Umgang mit der SPD tatsächlich verschreckt haben, was den sozialdemokratischen Stimmenzuwachs von über sechs Prozent im Vergleich zur Wahl 1998 erklärt. Neben den resignierten Anhängern der PDS, die am Wahltag ihren Protest nicht mit einer Stimme für die Postkommunisten, sondern durch ihr Fernbleiben von der Wahlurne ausdrückten, dürften auch einige Wähler in das sozialdemokratische Lager gewechselt sein. Dieses wuchs von 34,3 Prozent auf 40,6 Prozent an. Der Verdacht liegt nahe, daß die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl auch von ihrem Bundestrend profitierten.

Zusätzlich wurde der "rote Deichgraf" Ringstorff, genau wie sein Genosse Schröder, durch die Hochwasserkatastrophe, die in seinem Bundesland einigen Schaden anrichtete und ihm die Möglichkeit bot, sich medienwirksam in Szene zu setzen, gestärkt. Dies hatte freilich auch Auswirkungen auf das Ergebnis der CDU-Opposition mit ihrem Spitzenkandidaten Eckhardt Rehberg, die ein Ergebnis von lediglich 31,3 Prozent erreichte. Sahen die Umfragen vor einigen Wochen noch recht vielversprechend aus, so wuchs der Vorsprung der SPD gegenüber der Union in den letzten Tagen vor der Wahl immer weiter an. Der trotz der Wahlniederlage unangefochtene Rehberg betonte, daß die Landtagswahl von bundespolitischen Themen wie dem drohenden Irak Krieg und den "Anti-Stoiber-Kampagnen" überlagert wurde. Dies hätte sich negativ auf die CDU ausgewirkt, die vor allem im SPD-freundlichen Mecklenburg deutlich hinter den Sozialdemokraten zurückblieb.

Erfolge konnten die Christdemokraten lediglich in den vorpommerschen Wahlkreisen erzielen, die jedoch ohnehin seit der Wende als "schwarze Hochburg" gelten. Die Wechselstimmung im gesamten Land sei nach vier Jahren Rot-Rot einfach noch nicht zu verzeichnen gewesen, so Rehberg. Der Parteivize der Landes-CDU, Ulrich Adam, meinte, daß es der politischen Konkurrenz besser gelungen sei, Emotionen im Wahlkampf zu thematisieren. Letztlich kann die CDU Mecklenburg-Vorpommern trotz ihrer marginalen Stimmenzuwächse, neben der PDS als Verlierer der Wahl betrachtet werden.

Ein Grund hierfür mag auch in der Aussichtslosigkeit des CDU-Unternehmens "Regierungsverantwortung" gelegen haben. Ohne die SPD bringt die Union in Mecklenburg-Vorpommern keine Mehrheit zustande und selbst wenn das Wahlziel von 40 Prozent plus X hätte erreicht werden können, wäre die rot-rote Koalition nicht ernsthaft gefährdet gewesen. Im Dreiparteienparlament von Schwerin mangelt es an möglichen Koalitionspartnern für die Union.

Die FDP und ihr Spitzenkandidat Hans Kreher etwa landeten mit 4,7 Prozent im Vergleich zu ihrem 1998 erzielten Ergebnis von 1,6 Prozent einen Achtungserfolg. Dies hängt, genau wie in Sachsen-Anhalt, wohl mit dem Zuwachs an Neuwählern zusammen. Für den Einzug in das Landesparlament reichte dies jedoch trotzdem nicht.

Der letzte Unions-Strohhalm, die Partei Rechtsstaatlicher Offensive, wurde in den Umfragen unter "Sonstige" aufgeführt. Nach Rehbergs klarer Absage an einen möglichen Regierungspartner rechts von der Union scheiterte die Partei mit lediglich 1,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, blieb jedoch stärker als im Bund. Auch für die anderen kleinen Rechtsparteien wie die NPD oder die Republikaner lag der Einzug ins Landesparlament mit 0,8 beziehungsweise 0,3 Prozent in weiter Ferne. Die Grünen bewiesen mit ihren 2,6 Prozent ein weiteres Mal, daß sie trotz ihrer Stimmengewinne bei der Bundestagswahl in den neuen Ländern kaum als Alternative wahrgenommen werden.

Alles in allem blieben die Überraschungen bei der Landtagswahl also aus. Dies war sicher ganz nach dem Geschmack Ringstorffs, der ohnehin überhaupt nicht wußte, warum man "die Koalition nicht fortsetzen sollte".

Die rot-rote Koalition ist nun mit ihren 57 Prozent der erreichten Stimmen ähnlich stark wie in der letzten Legislaturperiode. Lediglich das Kräfteverhältnis in der Landesregierung hat sich verschoben, der Fortsetzung der SPD/PDS-Koalition steht jedoch nichts im Wege. Die anstehenden Sondierungsgespräche sollen nach dem Willen Ringstorffs alsbald in Koalitionsverhandlungen münden. Letztlich ist zu erwarten, daß die SPD die Koalition mit der PDS in den nächsten Jahren noch deutlicher dominiert. Es steht jedoch zu befürchten, daß dies an den Problemen des Landes wenig ändern wird.


 
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