© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Schützt die Umwelt vor den Umweltschützern
Klimapolitik: Für viele US-Wissenschaftler sind Wirtschaftswachstum und technischer Fortschritt der beste Naturschutz
Lennart Lopin

Globalisierungsgegner kritisieren seit langem die Einstellung der Regie-rung von US-Präsident George W. Bush zu brisanten Fragen im Umweltschutzbereich. Häufig ist vom Einfluß der Öllobby die Rede oder von der Kurzsichtigkeit der rohstoffverwöhnten Yankees, die mit der Begrenztheit natürlicher Ressourcen bisher keinerlei Erfahrung gemacht hätten. Weniger bekannt ist in Europa dagegen, daß der eigensinnige Kurs der Amerikaner, statt auf einer bloßen Laune, auf einer grundsätzlich anderen, aber dennoch ökologisch begründeten Sicht der Umweltschutzproblematik beruht.

Wenn also das renommierte George C. Marshall Institut ausgerechnet im Wirtschaftswachstum die einzig verläßliche Lösung der anstehenden Probleme des Klimaschutzes sieht, so hat diese scheinbare Blasphemie einen wissenschaftlichen Hintergrund: Denn obwohl die USA jedes Jahr 1,6 Milliarden Tonnen fossiler Rohstoffe verbrennen, fällt der heimische CO2-Anteil in der Luft jährlich um 0,3 Prozent. Begründet wird dieser offensichtliche Widerspruch - wachsender Verbrauch bei sinkender Umweltbelastung - mit dem Wiederaufforsten der USA: Seit den zwanziger Jahren bedecken 140 Millionen Hektar mehr Waldfläche das Land.

Will man also etwas für den Umweltschutz erreichen, so die US-Argumentation, muß man die Natur nur sich selbst überlassen, möglichst viele Hek-tar der ursprünglichen Wildnis wiederherstellen und den menschlichen Wirkkreis einschränken. Dies kann, bei gleichbleibender Bevölkerungsentwicklung, allerdings nur durch eine gesteigerte Produktivität im Agrar- und Energiesektor erreicht werden. Die Fortschritte im modernen Landbau sowie die verstärkte Landflucht haben daher indirekt mehr für den Naturschutz getan, als die vergleichsweise geringe Ausdehnung der Städte im Gegenzug geschadet hat.

Könnte die Agrarfläche weiter um sieben Prozent vermindert werden, so wäre damit allein die gesamte Fläche aller US-Städte, Autobahnen und Straßen aufgewogen und neue Regenerationsräume würden geschaffen werden. Genau dieser Trend - hin zur intensiveren und rohstoffschonenderen Nutzung natürlicher Ressourcen - setzt sich in den Industriestaaten seit Anfang des Jahrhunderts unaufhaltsam fort. Bis dahin war die Natur vor dem Menschen auf dem Rückzug, dann kehrte sich der Prozeß durch zunehmende Rationalisierung und Effizienzsteigerung in den Produktionsmitteln allmählich um.

Für die Skeptiker von UN-Klimaschutzvereinbarungen bedeutet Wirtschaftswachstum eine Förderung von Ressourcenmanagement und wird damit nicht zur Bremse, sondern zum Motor des Naturschutzes: Ganz ohne Regulierungswahn à la Rot-Grün. Um das Paradoxon zu vollenden: Würde die Dritte Welt, diesem Modell zufolge, auf den wirtschaftlichen und technischen Stand der Industrieländer gebracht, wäre man längst wieder dabei, die Regenwälder aufzuforsten. Für die Wissenschaftler sind damit grüne Forderungen nach einer Rückkehr zur Agrarproduktion früherer Jahrhunderte kontraproduktiv: Um die heutige Weltbevölkerung auf eine möglichst "ursprüngliche" Art und Weise zu ernähren, müßten so viele Wälder gerodet werden, daß die Auswirkungen kaum abzusehen wären.

Ähnlich verhält es sich nach Paul Huber, Mitglied des Manhatten Institute of Policy Research, mit den "nachhaltigen Energieträgern". Weder Solarzellen, noch Windräder oder Biomasse könnten mit der Energieausbeute aus fossilen Rohstoffen mithalten. Während Erdöl unterirdisch angezapft werden könne, sei die Wertschöpfung erneuerbarer Energien pro Quadratmeter um den Faktor 100 bis 5000 mal schlechter.

Zudem bleiben auch diese nicht ohne Nebenwirkungen. Denn was passiert mit den toxischen Abfallprodukten aus alten Solarzellen? Wie verhält es sich aber mit den "Nebenwirkungen" der traditionellen Energielieferanten? Tankerhavarien, Schadstoffausstoß und Ölpest bringen zwar Belastungen; setzt man jedoch die Wertschöpfung mit alternativen Energiequellen in Relation, belasten sie die Natur weniger als die alternativen Energiequellen, die zudem kaum ausreichen, um den Strombedarf auch nur ansatzweise zu decken.

Ähnlich konträre Positionen beziehen US-Wissenschaftler in Fragen des Klimaschutzes. Doch neben den Wissenschaftlern aus Übersee melden mittlerweile auch britische und einige deutsche Forscher Zweifel an der Klimakatastrophe an, die in den Medien zum Glaubenssatz verkommen ist. Daß einem der kompliziertesten Naturphänomene wie dem Klima durch die Regulierung allein von Treibhausgasen beigekommen werden kann, hält Philip Scott, Professor für Biogeographie an der University of London, nicht nur für unsachlich, sondern schlichtweg für falsch.

Auch Hartmut Graßl, Professor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, betont, daß Anstelle kostspieliger Symptombehandlung vermehrt Anstrengungen in der Effizienzsteigerung angebracht wären.

In Europa befindet sich die Umweltschutzthematik fast ausschließlich in den Händen der Grünen, die zu einer ideologischen Aufladung beigetragen und damit eine offene Debatte erschwert haben. Der Atomausstieg, der bewußt mit dem Ausbau von Kohlekraftwerken erkauft wurde, ist nur ein Beispiel von vielen. Vielleicht wäre dem Klima, dessen Beeinflußbarkeit durch Menschenhand wissenschaftlich immer noch nicht ausreichend belegt ist, eher geholfen, wenn die Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlichen und technischen Fortschritts ohne ideologische Voreingenommenheit überprüft würden.


 
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