© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Frisch gepresst

Kollektivschuld. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde selbst von den energischsten Rächern der Untaten des Nationalsozialismus eine kollektive Schuld des deutschen Volkes verneint. Der Jurist Heinz Nawratil, jedem Jurastudenten durch seine Reihe "BGB, Strafrecht, etc. leicht gemacht" ein Begriff, beschreibt jedoch Mechanismen in der internen deutschen Debatte, in der eben diese Kollektivschuld im Laufe der letzten Jahrzehnte zum Dogma wurde. Nawratil geht sogar noch weiter und macht in dem deutschen Komplex, "einem Tätervolk" anzugehören, eine Staatsreligion aus, die durch die political correctness zum Mittel der Meinungsunterdrückung pervertiert. Daß diese Neurose, die "im Nationalstolz ein rechtsrassistisches Erkennungsdenkmal" erkennt, dringend überwunden werden muß, begründet Nawratil mit der Prognose einer gesellschaftspolitischen Eruption, welche unüberschaubar zu werden drohe (Der Kult mit der Schuld. Geschichte im Unterbewußtsein. Universitas Verlag, München 2002, 256 Seiten, 16,90 Euro).

Leitkultur. Friedrich Merz hat mit seiner Forderung einer "deutschen Leitkultur" vor geraumer Zeit eine "politische Sau" durch die Republik gehetzt, die Kritiker entsetzt aufhorchen ließ. Das Attribut "deutsch" in Verbindung mit "Kultur" sei spätestens mit den Verbrechen des Holocaust ad absurdum geführt worden, so könne gar eine Leitkultur nur Unheilvolles beinhalten, war ihre kritische Analyse. In der neuesten Eckardschrift geht der ehemalige Studienrat Eduard Josef Huber auf die Definition von Kultur ein und stellt die ketzerische Frage, was "deutsch sein" eigentlich ausmacht. Nichts stellt jedoch passender das Besondere an dieser "deutschen Seele" dar, als die Existenz eines Buches, welches sich eben diesen Fragen nach dem eigenen Wesen bemüßigt sieht (Was heißt deutsche Leitkultur? Eckardschrift 163. Österreichischen Landsmannschaft, Wien 2002, 112 Seiten, 7,40 Euro).

Auslandseinsätze. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, stellt in seinem neuen Buch seinen Blickwinkel aus der Feldherrenhügel-Perspektive gegenüber der in den neunziger Jahren in Konzeption und Zielvorgabe gewandelten Bundeswehr vor. Dabei geht er besonders auf die grundsätzlich gewandelte "Feindlage", sprich Bedrohungsanalyse, ein und rühmt den deutschen Beitrag vor Völkerverständigung. Diese neue Rolle des Soldaten, mehr Helfer denn Kämpfer, weiß Naumann in allen Schattierungen zu rühmen und übersieht die Vernachlässigung der mit immer weniger Mitteln ausgestatteten Truppe. Daß der "Geist" und die Motivation der Bundeswehr, die sich bisher noch glänzend bewähren konnte, ein Relikt aus früheren T agen ist, scheint an Naumanns Wahrnehmung spätestens seit seiner Zeit im Nato-Stab vorübergegangen zu sein (Frieden - der noch nicht erfüllte Auftrag. Mittler & Sohn, Hamburg 2002, 269 Seiten, 29,90 Euro).


 
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