© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/02 27. September 2002

 
Frisch gepresst

Abschied vom Staat. Heute eine Klage über das Ende des Staates zu schreiben, ist im Jahr des 100. Geburtstags von Ernst Forsthoff (siehe JF 38/02) sicher nicht ohne Reiz. Ulrich March versucht denn auch, auf vielen Ebenen Forsthoffs Klassiker "Der Staat in der lndustriegesellschaft" (1971) fortzusetzen. Der von Forsthoff registrierte "Souveränitätsverlust" habe im Zuge der "Globalisierung" Ausmaße angenommen, die alle Befürchtungen des Heidelberger Rechtslehrers weit übertroffen haben. So nimmt March nochmals wehmütigen "Abschied" vom "klassischen Staat". Doch ebensowenig wie Forsthoff traut er seiner eigenen illusionslosen Diagnose und sucht mit der gleichen erkennbaren Ratlosigkeit nach Haltepositionen, nach "Standorten im Zeitstrom" (Das Ende des klassischen Staates. Haag und Herchen, Frankfurt/M. 2002, 128 Seiten, 9 Euro).

Wortterroristen unter sich. Wie die Bücher des Spiegel-Mitarbeiters Henryk M. Broder entstehen, das können wir uns nach der Lektüre seiner jüngsten Morgengabe "Die Deutschen und der Terror" nunmehr lebhaft vorstellen. Er liest Zeitungen, guckt Fernsehen, hört Radio und langweilt sich auf Podiumsdiskussionen, stärkt sich zwischendurch in seiner Moabiter Lieblingskonditorei mit viel köstlichem Baumkuchen, um dann den aufgeschnappten Wortsalat in ein Zitaten-Traktätchen zu verpacken. Das liest man flott weg, um sich dreißig Minuten über die intellektuelle Insuffizienz von Roger Willemsen & Co. zu amüsieren. Dann beginnt der eintönig-enthemmte Pro-Amerikanismus Broders zu ermüden, dem die Urteilskraft so abgeht wie den von ihm befehdeten bundesdeutschen Schwafelgrafen (Kein Krieg, nirgends. Die Deutschen und der Terror. Berlin Verlag, Berlin 2002, 215 Seiten, 18 Euro).

Haffner. Über dreißig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung sind Sebastian Haffners Betrachtungen zur Novemberrevolution wieder erschienen. Just in einem Zeitpunkt, wo im weiten Rund der etablierten Zeithistoriker niemand mehr daran zweifelt ( JF 39/02), daß Haffners Hauptthese von der "verratenen Revolution" dem "Geist von 68" geschuldet war. Es zeugt eben von nachwirkender Revolutionsromantik, sich dem ehemaligen DDR-Geschichtsbild vom "Dolchstoß" gegen die edle Räteregierung anzunähern (Die deutsche Revolution 1918/19. Kindler, Berlin 2002, 253 Seiten, 19,90 Euro).


 
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