© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Determiniertes Chaos
Carl Gustaf Ströhm

Heute führen nicht Soldaten, sondern Medien den Krieg." Diese Feststellung findet sich in einem Buch, das demnächst in der kroatischen Hauptstadt Zagreb erscheint. Autor ist der - von der gegenwärtigen kryptokommunistischen Regierung zwangspensionierte - Admiral Davor Domazet-Loso, der während des "Vaterländischen Krieges" in den neunziger Jahren Chef des militärischen Nachrichtendienstes war.

Unter dem Titel "Kroatien und der große Kriegsschauplatz - Internationale Machtspiele auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien" vertritt der 1948 in Sinj/Dalmatien geborene Domazet einige unkonventionelle Thesen. Die heutige Kriegführung finde in Form eines "Informationskrieges" statt, durch den eine "virtuelle" Wirklichkeit entstehe - nicht wie sie ist, sondern wie man sie entsprechend den nationalem Interessen der Hauptakteure anstrebt.

Der moderne Krieg bzw. "Nicht-Krieg" sei während der achtziger Jahre entwickelt worden und zwar in Form des "Krisen-Managements". Dieses habe die Erhaltung des Friedens zum Ziel. Frage man aber, wie der Frieden gewahrt werde, dann laute die Antwort: durch militärische Gewalt.

Das jedoch heißt, daß es gar keinen wirklichen Frieden gibt - denn diese Friedenssicherung sei nichts anderes als ein "Derivat des Krieges": ein "determiniertes Chaos". Es geht darum, die wichtigsten geostrategischen Verbindungslinien zu beherrschen. Das werde nicht durch klassischen Krieg, sondern durch Herstellung dieses "determinierten Chaos" erreicht. Die "auswärtigen Mitspieler" entscheiden über die zulässige Quantität an Gewalt. Die lokalen Kräfte nehmen an der Gewaltanwendung teil. "In einem solchen Spiel" , so der Admiral, "müssen alle schuldig sein", weil das den ausländischen "Denkern" am besten entspreche. Auch den positiven Kräften (die sich gegen einen Angreifer verteidigten) müsse man nachträglich Kriegsverbrechen unterschieben.

Domazet beschuldigt hohe Militärs und Politiker der "internationalen Staatengemeinschaft", den Konflikt zwischen Kroaten und Moslems bewußt provoziert und den Serben geholfen zu haben. Im Südosten sei das alles mit der Absicht einer Schwächung des Raumes geschehen. Deshalb mußte das "determinierte Chaos" auf einem gewissen Niveau gehalten werden. Die wirtschaftliche Schwächung des Raums sollte den ausländischen Kräften ermöglichen, eines Tages alles billig aufzukaufen: "Niemand nimmt an einem solchen Krieg aus Wohltätigkeit und wegen der Menschenrechte teil, wie das die Medien behaupten. Nein! Sondern wegen besserer Positionen im Kampf um die Weltherrschaft." Was Kroatien und Bosnien betreffe, so hätten dort die auswärtigen Mächte die Gewalt gelenkt, um am Schluß zu erklären: "Wir müssen hier sein, denn wenn wir gehen, bricht erneut der Krieg aus."

Kroatien und Bosnien seien die "Laboratorien", in denen das determinierte Chaos getestet wurde. Jetzt werde das neue Kriegsmodell im "schwarzen Loch" ausprobiert - und dieses erstrecke sich von Kroatien über das Schwarze Meer, den Kaukasus, die kaspische Region und Kasachstan bis zu den Philippinen. Hier werde, so Domazet, im 21. Jahrhundert der Kampf um die Weltherrschaft - sprich das Erdöl - entschieden. Und danach komme der Kampf um das Trinkwasser, weil sich dort zwei Drittel der Weltwasserreserven befänden.

Am Ende verrät der Ex-Abwehrchef ein Geheimnis. Die Kroaten wußten, daß der Militärattaché eines Nato-Landes für die Serben arbeitet. Sie fütterten ihn mit falschen Daten.


 
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