© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002


Tom Daschle
Der stille Demokrat
von Ronald Gläser

Niemand - außer George Bush vielleicht - ist hellauf begeistert von dem bevorstehenden Krieg gegen den Irak. Doch die Mehrheit der Amerikaner befürwortet nach dem 11. September den harten Kurs des Weißen Hauses in der Außenpolitik. In dieser Situation gibt es für Thomas "Tom" Daschle keine Alternative: Der Führer der Demokraten im US-Senat darf keinen Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem Präsidenten zulassen. Selbst wenn er dem Krieg gegen den Irak nicht enthusiastisch gegenübersteht, muß er ihn doch mittragen. Denn mangelnde Akzeptanz der US-Außenpolitik wird derzeit sogar von der liberalen New York Times kritisiert, die ein distanziertes "Schweigen der Demokraten" festgestellt hatte. Der Präsident kann nun damit prahlen, daß man "mit einer Stimme spreche". So überbietet sich Thomas Daschle derzeit selbst mit patriotischen Gelöbnissen. Schließlich möchte er 2004 George W. Bushs Nachfolger im Amt werden. Die Grundlage dafür könnte der Senator aus Süd-Dakota bei den am 5. November anstehenden Senatswahlen schaffen.

Nach der Präsidentschaftswahl führte Daschle die demokratische Minderheit im Senat. 2001 wechselte aber ein Republikaner die Seiten. Seitdem ist der konservative Demokrat Daschle der wichtigste Parlamentarier der amerikanischen Legislative. Der 54jährige Politologe gehört der Generation von Clinton und Bush junior an. Anders als sie hat er aber bei der Armee gedient - wenn auch beim militärischen Abschirmdienst. Weltweit bekannt wurde sein Name durch die Anthrax-Anschläge nach dem 11. September 2001. Der dreifache Familienvater war einer der ersten Adressaten der Briefe mit Milzbranderregern.

Politisch drehte sich zuletzt alles um seine Haltung hinsichtlich der Gesetzesvorlage, die Präsident Bush einen Blankoscheck für die Irak-Politik ausstellen würde. Der Regierung sollte dadurch größtmögliche Flexibilität bei der Durchführung militärischer Maßnahmen ermöglicht werden. Daschle erbat sich deshalb zunächst weitere Beweise für Saddam Husseins Schuld. Daraufhin ging George Bush in die Offensive. Er warf den Gegnern dieses Quasi-Ermächtigungsgesetzes vor, amerikanische Interessen zu verraten.

Am vergangenen Montag nun hat Thomas Daschle allem zugestimmt. Er wollte die Wahlchancen seiner Partei nicht schmälern. Und moralische Bedenken haben Daschle auch in der Vergangenheit nicht beeinflußt. Man erinnere sich nur an das Jahr 1998, als Präsident Clinton in schwere Bedrängnis geriet. Auf dem Höhepunkt der Lewinsky-Affäre handelte er nach einem bewährten politischen Prinzip, das Hertha Däubler-Gmelin kürzlich definierte: Er befahl ein einwöchiges Bombardement des Irak, um von seinen internen Problemen abzulenken. Die parlamentarische Rückendeckung besorgte ihm damals der Minderheitenführer im Senat: Tom Daschle.


 
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