© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Der Selbstbedienungsladen
Öffentliche Verschwendung: Aus Naivität und Kalkül werden jährlich etwa 30 Milliarden Euro aus dem Fenster geworfen
Manuel Ochsenreiter

Schon der deutsche Nationaldichter Hoffmann von Fallersleben wußte es: "Oh sage mir, wie heißt das Tier, das vieles kann ertragen, das wohl den größten Rachen hat und auch den größten Magen. Es heißt Haifisch auf dem Meer und Fiskus auf dem Lande."

Mit der Verschwendungssucht des "Fiskus auf dem Lande" befaßt sich der Bund der Steuerzahler (BdSt) seit nunmehr 53 Jahren. In einer Zeit, in der amtliche Schreiben mit dem Aufdruck "Anfragen zwecklos" versehen waren, und in den Ämterstuben noch bürgerfeindliche Beamte aus der Kaiserzeit herrschten, war die Gründung eines Vereins, der Transparenz aller fiskalpolitischen Entscheidungen einforderte, fast schon etwas Rebellisches. Kein Wunder also, daß dem am 9. Oktober 1949 in einem Stuttgarter Vorort gegründeten Steuerzahlerbund die offiziellen bundesdeutschen Stellen skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden. Einzig die US-amerikanische Besatzungsmacht unterstützte die Bemühungen des jungen Verbandes und bot sogar finanzielle Starthilfe an, was der Steuerzahlerverein jedoch entschieden ablehnte.

"Wenn der BdSt hält, was er verspricht, dann zählt er zu den wenigen vernünftigen Organisationen des neuen Deutschland", war in der Düsseldorfer Rheinische Post zur Gründung des Verbandes zu lesen. Zum 50jährigen Bestehen schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Gäbe es den Steuerzahlerbund nicht, müßte er sofort gegründet werden."

Waren damals vor allem die autoritären und undurchsichtigen Verwaltungsgepflogenheiten dem Steuerzahlerbund ein Dorn im Auge, kümmert er sich heute vor allem um die Verschwendung öffentlicher Haushaltsmittel sowie um die auch in Deutschland um sich greifende Korruption. Durch die Nennung der Verschwendungssumme von jährlich 30 Milliarden Euro geriet der BdSt kürzlich in die Kritik des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels. Dieser stellte die geschätzte Summe als "viel zu hoch" und "unseriös" öffentlich in Frage. Zu Recht wirft ihm der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karlheinz Däke vor, er verharmlose die Steuergeldverschwendung. Das geschätzte Verschwendungsvolumen berechnet sich aus fünf Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben, welche unwirtschaftlich verwendet werden. Bei dieser Fünf-Prozent-Schätzung stützt sich der BdSt auf Aussagen und Untersuchungen erfahrener Wirtschaftsprüfer.

Statt die Verschwendung zu bagatellisieren, solle der Bundesrechnungshof selbst endlich eine eigene Einschätzung der Verschwendung öffentlicher Mittel vorlegen, so Däke.

Ursachen der öffentlichen Verschwendung sind die Arg- und Respektlosigkeit im Umgang mit Steuergeldern, aber auch die nunmehr im einst "sauberen" Deutschland immer mehr um sich greifende Korruption. In der diesjährigen Rangliste des Korruptionsberichts der Organisation "Transparency International" (TI) fand sich die Bundesrepublik auf einem blamablen 18. Platz - im letzten Drittel der europäischen Staaten. TI ermittelt jährlich die "wahrgenommene Korruption" unter Unternehmern. Es sind vor allem diejenigen Politiker, die den größten Schaden anrichten, die als "Saubermänner" mit ihren öffentlich zur Schau gestellten blütenweißen Westen nach 1998 in die Ämter drängten. Da ist die für das Bürgervertrauen katastrophale Naivität - man möchte fast Dummheit sagen - eines Cem Özdemir, der mit seinen dienstlichen Bundestagsbonusmeilen seine Kumpels mal eben nach Istanbul fliegen ließ oder einfach "vergaß", Steuern zu zahlen, weil er "brutto für netto" hielt.

Oder das entlarvende Rechtsverständnis eines studierten Juristen Rezzo Schlauch, der, nachdem sein Luxus-Champagner-Kaviar-Trip nach Fernost publik wurde, - "einfach so" - das Geld aus seiner Portokasse "zurückbezahlte" und nun so tut, als sei die Angelegenheit erledigt. Jeder Ladendieb wird vom Gesetz härter bestraft - er hat schließlich nicht die Chance eine Bestrafung zu umgehen, indem er das Diebesgut einfach zurücklegt oder im Nachhinein bezahlt.

Wen wundert es ernsthaft, daß viele Beamte und Politiker den Staat als Selbstbedienungsladen mißbrauchen, wenn es ihnen die "Oberen" ungestraft vormachen? Dort liegt das zentrale Problem. Die Verschwendung öffentlicher Mittel ist schwer zu ahnden - Verantwortlichkeiten werden für gewöhnlich hin und her geschoben. Der BdSt fordert seit Jahren die Schaffung eines Straftatbestands der "Amtsuntreue". Dieser solle flankiert werden durch einen sogenannten "Amtsankläger", der Verschwendungsfälle - zum Beispiel aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes - zur Anklage bringt.

Was in der Bundesrepublik bislang am Widerstand der politischen Klasse scheiterte, kann auf EU-Ebene nun doch Realität werden. Dort soll der Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften verbessert werden. Die Einsetzung eines "Europäischen Staatsanwaltes" in diesem Zusammenhang wird bereits diskutiert - dieser entspräche von seinen Kompetenzen her dem Amtsankläger, wie ihn der BdSt vorschlägt.

So wichtig und richtig die Arbeit des "Finanzgewissens der Nation" (Die Zeit) ist, so bleibt die Frage, ob die Veröffentlichung eines - zwar öffentlich beachteten - aber oftmals ohne Konsequenzen erscheinenden "Schwarzbuchs" der öffentlichen Verschwendung reicht. Denn diese nimmt mittlerweile neue Dimensionen an. Diese treten dann zu Tage, wenn quasi "über Nacht", aus Naivität oder politischem Kalkül millionenschwere Finanzhilfen versprochen werden, oder trotz der katastrophalen Haushaltslage noch immer Milliarden-Subventionen oftmals nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden oder durch Fehlplanungen die Kosten öffentlicher Projekte explodieren.

Aber auch der mittlerweile über 450.000 Mitglieder zählende BdSt ist ein Kind der Bundesrepublik und zeigt hie und da deren Symptome. Da ist beispielsweise die kaum mehr kaschierte Nähe zu den Unionsparteien - vor allem in Süddeutschland. Im Vergleich zu den Steuerzahler-Schutzbünden in anderen Staaten ist die Arbeit des BdSt geradezu staatsloyal. In den USA wurde beispielsweise in den siebziger Jahren die Vereinigung "Tax Reform Immediatly" (TRIM) von der konservativen "John Birch Society" ins Leben gerufen. Diese setzt Politiker damit unter Druck, daß sie androht, das Abstimmungsverhalten bei bestimmten Gesetzesvorlagen bloßzustellen. Auch das Instrument des Steuerboykotts betrachtet sie als legitimes Kampfmittel gegen die staatliche Verschwendung. TRIM geht noch weiter. Sie betrachtet Politiker, die Steuergelder verwalten und ausgeben, als "Drogenabhängige" - aufgrund ihrer "Ausgabesucht". TRIM empfiehlt daher eine "Entziehungskur", um die Politiker zu therapieren.

Auch für den deutschen Steuerzahlerbund besteht im 53. Jahr seines Bestehens die Notwendigkeit, angesichts der grassierenden Staatsverschuldung und des totalen Verlusts jeglichen politischen Verantwortungsgefühls, sich über neue Aktions- und Protestformen Gedanken zu machen.

 

Bund der Steuerzahler: Adolfsallee 22, 65185 Wiesbaden. Internet: www.steuerzahler.de 


 
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