© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Schildbürgerstreiche
Dokumentation: Fälle aus dem Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung des Bundes der Steuerzahler
(JF)

-  Hamburg. Immer der Reihe nach. Dieser Grundsatz wurde in Hamburg leider nicht befolgt, und das kostete rund 15.300 Euro. Der Grund: Obwohl die Frage der Finanzierung der Neugestaltung des Holstenplatzes in Altona mit der Baubehörde nicht geklärt war, wurde ein privates Ingenieurbüro mit der Entwicklung des Gestaltungskonzepts beauftragt. Als die Baubehörde dann die Finanzierung ablehnte, waren die 15.000 Euro umsonst ausgegeben, weil das entwickelte Konzept nicht umgesetzt werden konnte.

- Bund. Schon lange haben wir einzelne Maßnahmen der sogenannten aktiven Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung im Visier. Was sich in einigen solcher extrem teuren Maßnahmen an Inhalten verbirgt, spottet nicht selten jeder Beschreibung. Intelligenzbeleidigend, disqualifizierend, praxisfremd und unnütz sind nur einige Adjektive, mit denen man versuchen kann, die Realität zu fassen. Doch noch viel aussagekräftiger sind die praktischen Erfahrungen von arbeitssuchenden Kursteilnehmern. "Gehen sie über den Alexanderplatz und ziehen Sie leere Konservendosen hinter sich her..." und ...gehen Sie über die Straße und fassen Sie fremden Leuten an die Nase!" Karneval in Berlin? Nein, das waren die Aufgaben, die Arbeitssuchende im Rahmen einer Maßnahme zum Persönlichkeitstraining erledigen mußten, um "fit" zu werden für Bewerbungsgespräche. Voraus ging diesem Trauerspiel eine Schulungsmaßnahme zum EDV-Trainer. Die im Kurs verteilten Unterlagen waren Jahrgang 1998, in der Computerbranche ein biblisches Alter. Windows 2000 gab es noch nicht, sollte in der Abschlußprüfung aber geprüft werden, da fiel es auch nicht weiter auf, daß der Kursleiter keine Ahnung von dem Betriebssystem hatte. Da nach drei Wochen Kursdauer immer noch keine PCs zur Verfügung standen, konnte sich der Kursleiter immerhin dazu durchringen, seinen eigenen PC von Zuhause mitzubringen; den Drucker stellte eine 49jährige Kursteilnehmerin. Die Durchfallquote unter den zehn Teilnehmern betrug 80 Prozent und unterm Strich hatte der Kurs die Steuer- und Beitragszahler 9.612 Euro pro Kopf gekostet.

- Syke. Weil CDU und SPD im Syker Stadtrat im Oktober 1998 uneinsichtig waren und Befürchtungen des Bundes der Steuerzahler über vorzeitige Pensionslasten im Fall der Wahl eines neuen Stadtdirektors für nur zweieinhalb Jahre in den Wind schlugen, müssen die Steuerzahler seit November 2001 für einen teuren Versorgungsfall aufkommen. Der erst seit 1999 amtierende Syker Stadtdirektor mußte sich - wegen Änderung der Niedersächsischen Kommunalverfassung - im September 2001 der Direktwahl zum hauptamtlichen Bürgermeister stellen, um als Verwaltungschef weiter wirken zu können. Doch der damals 41jährige fiel bei den Wählern, die einen Mitbewerber bevorzugten, gnadenlos durch. Seit November 2001 hat der "jugendliche Frührentner" Anspruch auf eine lebenslange monatliche Pension von rund 2.050 Euro. Das sind unter Berücksichtigung des Weihnachtsgeldes rund 26.300 Euro im Jahr. Bei einer unterstellten Ruhestandszeit von 35 Jahren würde sich ein Versorgungsanspruch von 920.000 Euro ergeben, wobei die üblichen Steigerungsraten noch nicht berücksichtigt sind. Die Syker Kommunalpolitiker hätten entweder die Wahlzeit des vorherigen Stadtdirektors bis zur Kommunalwahl 2001 verlängern oder bereits im Jahr 1999 einen hauptamtlichen Bürgermeister mit einer Amtszeit bis zum Jahr 2006 wählen können. Die Rechtslage hätte beide Alternativen zugelassen. Die jetzt fälligen Pensionszahlungen gehen je zur Hälfte zu Lasten der Stadt Syke und der Niedersächsischen Versorgungskasse - letztlich aber vollends zu Lasten der Steuerzahler.

- Erfurt. Die Thüringer Staatskanzlei veröffentlichte im Februar 2002 eine neue Zeitung mit dem Titel Thema Thüringen. In unregelmäßigen Abständen soll über die Politik in und für Thüringen informiert werden. Ausgabe 1/2002 wurde dem zehnjährigen Dienstjubiläum des Ministerpräsidenten des Freistaates gewidmet. In der 16seitigen Schrift wird die Chronologie der Ereignisse beschrieben und mit 27 Hochglanzfotos, auf denen der Ministerpräsident zu sehen ist, bebildert. Bei aller Wertschätzung für die Leistungen des Ministerpräsidenten, das ist zuviel des Guten seitens der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Erinnert doch die Schrift zu sehr an die Bebilderung von Ausgaben der Zeitung Neues Deutschland, als "der bekannte Parteiarbeiter E.H." die Leipziger Messe besuchte. Die Herstellung der 5000 Exemplare vom "Thema Thüringen" haben die Steuerzahler 2.277,35 Euro gekostet.

- Stuttgart. Schnell beschlossen, schlecht durchdacht: Ein teures Verkehrsexperiment auf Kosten des Steuerzahlers leistete sich die Landeshauptstadt Stuttgart in ihrem Stadtbezirk Riedenberg. Manche meinen, daß der Verkehrsversuch von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Diese späte Einsicht kostete den Steuerzahler 135.000 Euro. Zur Beruhigung des Verkehrs wurden mit großem Aufwand Schilder montiert, die die Ortsdurchfahrt zur Hauptverkehrszeit in wechselnden Richtungen sperren sollten. Leider haben sich gerademal ein Drittel der Fahrer daran gehalten, was mehrere Zählungen gezeigt haben. Die Bürger, die trotz Tempo-30-Zone wieder an einer Quasi-Durchgangsstraße wohnen ärgert's, den Steuerzahler ob der sorglos ausgegebenen Gelder noch viel mehr.

- Niedersachsen. Trotz dramatischer Haushaltsprobleme kann die niedersächsische Landesregierung nicht von sündhaft teurer Regierungswerbung lassen. Im März dieses Jahres erschien die bunt bebilderte Broschüre "Niedersachsen - Eine Erfolgsstory". Darin ziehen Ministerpräsident Sigmar Gabriel und seine Minister auf 92 Seiten eine - wen wundert's - überaus positive Bilanz ihrer Regierungsarbeit in den vorangegangenen 12 Monaten. Satte 47.973 Euro haben die 2.080 Exemplare der Eigenlob-Broschüre den Steuerzahler gekostet - pro Stück sage und schreibe 23 Euro. Vorherige Auflagen der Broschüren in den Jahren 2000 und 2001 waren mit Stückpreisen von unter 6 Euro dagegen vergleichsweise günstig. Damals waren aber auch Termine der Bundestagswahl und der niedersächsischen Landtagswahl, die jetzt wohl die überaus kostspielige Selbstbeweihräucherung der Regierung auf Kosten der Steuerzahler auslösten, noch in weiter Ferne.


 
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