© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Kein ökologischer Königsweg
Biodiesel: Das Umweltbundesamt kritisiert die Herstellung von Diesel aus Raps / Verschwendung regenerierbarer Energieträger
Lennart Lopin

Eine seltsame Widersprüchlichkeit entwickeln seit längerem Umwelt-bundesamt (UBA) und Bundesregierung. Während der letzten Legislaturperiode der Sozialdemokraten und Grünen wurden umweltpolitisch vor allem erneuerbare Energien angepriesen, selbst wenn wissenschaftliche Gutachten im einzelnen dagegen plädierten. Dies trifft auch auf das in den achtziger Jahren hochgelobte Ideologieprodukt Biodiesel zu.

Obwohl zwei UBA-Studien, die erste im Jahre 1993 und die zweite im Jahr 2000, ausdrücklich den Umweltbonus des Rapsdiesel in Frage stellen, bleibt das angebliche Öko-Plus des vielgepriesenen Biodiesel unangetastet. Ein Eingeständnis fällt den Befürwortern schwer, denn eine solche "Glaubensrevision" würde insbesondere wegen der Argumente, die gegen den Einsatz von Rapsdiesel sprechen, einige andere Schwächen nachhaltiger Energiegewinnung offenbaren. Die Tatsachen, die das Institut für Energie-und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) und die Bochumer Ruhr-Universität im Auftrag des UBA in einem 300seitigen Bericht zusammengefaßt haben, sprechen für sich:

Dabei ist nach wie vor eines der Hauptkriterien für die Biodiesel-Anwendung sein Klimaschutzfaktor. Zwar liegt der CO2-Vorteil von Rapsölmethylester (RME) zwischen 30 und 80 Prozent pro Kilogramm Treibstoff; da jedoch selbst unter Ausschöpfung aller Anbauquoten lediglich weniger als ein halbes Prozent des Dieselbedarfs in Deutschland mit RME gedeckt werden könnte, ist die mögliche CO2 Einsparung sehr gering. Außerdem wird bei der RME-Herstellung das Rapsöl mit zehn Prozent Methanol umgesetzt, hängt damit direkt von fossilem Rohstoff ab und ist nicht 100 Prozent "biologisch".

Auch der große Kostenvorteil gegen den herkömmlichen Dieselkraftstoff beruht auf einer schlichten Wettbewerbsverzerrung: Denn die reinen Herstellungskosten belaufen sich mit 1,23 Euro pro Liter auf den sechs bis -achtfachen Wert von Diesel auf Mineralölbasis. Der niedrige Tankstellenpreis von Biodiesel ist nur durch aufwendige direkte und indirekte Subventionierungen realisierbar. Das UBA würde aus der Sicht des Umweltschutzes dieselben Steuergelder eher für Gebäudesanierungen und Wärmedämmungen verwendet wissen, weil dadurch - im Hinblick auf CO2-Emission - mehr für den Klimaschutz getan werden könnte: schließlich werden über 60 Prozent aller Energie in Deutschland für Heizzwecke aller Art aufgewandt, der Verkehr verbraucht nur etwa 15 bis 20 Prozent.

Ökonomische Argumente liefern ebenfalls keine ausreichende Begründung für Rapsöltreibstoffe: Dem Umweltbundesamt zufolge kann allein durch den Rapsanbau kein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz gesichert werden. Die angeblich vorzügliche Emissionenbilanz des Biotreibstoffs ist ein zweischneidiges Schwert: So zeigen Untersuchungen, daß von fünf Schlüsselwerten (Stickoxid, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoff und Partikel) je Fahrzeugtyp manchmal zwei Werte unter der gesetzlich zugelassenen Höchstgrenze liegen, die anderen Werte allerdings deutlich den Grenzwert überschreiten.

Der verminderte Ausstoß von Rußteilchen wird mit einem höheren Partikelaufkommen insgesamt erkauft. Hinzu kommt der hohe Flächenverbrauch und intensive Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von Raps, der die letzten ökologischen Vorteile zunichte macht. Lediglich dort, wo besondere Anforderungen an den Gewässerschutz gelten, ist der Einsatz von RME sinnvoll. Damit ist auch schon das einzige positive Kriterium des Biodiesel genannt. Diese Einschätzung ist natürlich ein Schlag ins Gesicht all derer, die Ölfelder bereits durch Rapsfelder ersetzt sahen.

Der Einwand von Kritikern ließ nicht lange auf sich warten. Das Umweltbundesamt zeichne lediglich das Bild einer in Monokultur angebauten und auf künstlichen Dünger angewiesenen Produktion, die man viel ökologischer gestalten könnte, lautete die Kritik. Natürlich ließe sich der Rapsanbau im einzelnen viel ökologischer realisieren. Aber der Ruf nach Biogülle oder Stallmist ist utopisch, wenn mit Biodiesel ernsthaft an einer Alternative für den gesamten Dieselverbrauch eines Landes gedacht wird. Die dafür erforderlichen Mengen an "Biodünger" würden natürliche Ressourcen schnell aufzehren und man käme nicht umher, auf Einsatz von ökologisch bedenklichem Stickstoffdünger zurückzugreifen. Selbst wenn man Fortschritte in der Entwicklung biologisch unbedenklicher und natürlicher Dünger in Betracht zöge, so bliebe dennoch das Argument von der immensen landwirtschaftlichen Nutzfläche, die der Rapsanbau aufzehren würde.

Im Hinblick auf die Osterweiterung, die der Europäischen Union Millionen Hektar zusätzlicher landwirtschaftlicher Nutzfläche beschert, wird dieses Argument zwar relativiert. Und einige Agrarexperten sehen im Rapsanbau sogar eine alternative Existenzgrundlage für die ostmitteleuropäischen Bauern, die dem Produktivitätsdruck der westlichen EU-Mitglieder häufig nicht gewachsen sind. Doch das UBA denkt nicht europäisch, sondern global und verweist dabei auch auf die Nahrungsmittelknappheit bei steigender Weltbevölkerung. Dieses daraus entstehende strukturelle Agrarflächenproblem bleibt dem Umweltbundesamt zufolge daher langfristig bestehen und führt damit nicht zu einer "Schonung, sondern Verschwendung regenerierbarer Energieträger".

Wer trotz der Bedenken einen Beitrag zum Klimaschutz leisten möchte und hofft, daß mit der zunehmenden Verwendung von Biotreibstoffen auch technische Schwierigkeiten wie die Kraftstoffleitungen zersetzende Kraft des Rapsdiesel gelöst werden, der wird sich zumindest an den "Pommesfrites"-Geruch seines Auspuffs gewöhnen müssen.


 
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