© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Frisch gepresst

Volksvermehrung. Welch ein Fazit: "Die schöne naturrechtliche Theorie der Freiheitsrechte war - pointiert formuliert - dazu verdammt, an der düsteren Wirklichkeit zu scheitern." Dieser denkwürdige Satz beendet die spannend zu lesende Dissertation Martin Fuhrmanns über die nationalökonomischen Theorien zur Bevölkerungspolitik zwischen 1750 und 1848. Nicht nur vom flotten Anarchismus der "Mein Bauch gehört mir"-Parolen konnte im Frühliberalismus nicht die Rede sein. Angesichts der tiefsitzenden Furcht vor der Überbevölkerung, auf die Vormärz-Regime rigide staatsinterventionistisch reagierten, blieb nicht viel übrig vom "Menschenrecht der Eheschließungs- und Fortpflanzungsfreiheit". Die soziale Wirklichkeit hatte schon in der Geburtsstunde der industriellen Revolution die liberale Ideologie vom gemeinwohlkonformen Marktmechanismus Lügen gestraft. Im Zeitalter der Globalisierung und demographischer Sorglosigkeit eine recht eindrückliche historische Lektion, die Fuhrmann da erteilt (Volksvermehrung als Staatsaufgabe? Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts. F. Schöningh Verlag, Paderborn 2002, 458 Seiten, 50 Euro).

Carl Schmitt. Im Briefwechsel mit Armin Mohler ist nachzulesen, daß Carl Schmitt auf einen der ersten Versuche zur Gesamtdarstellung seiner "politischen Philosophie" recht säuerlich reagierte. Inzwischen liegt die 1964 publizierte Monographie des Schmitt distanziert gegenüberstehenden Berliner Staatsrechtlers Hasso Hofmann in vierter Auflage vor und beansprucht damit den Rang eines Klassikers der Schmitt-Rezeption. Dem Text ist Zelotisches nicht fremd. Auch wirkt Hofmanns Blick auf den "Großraumdenker" Schmitt und dessen Versuche, dem Deutschen Reich ab 1937 eine "geschichtliche Legitimität" zu verschaffen, arg verengend. Kein Wunder, daß Hofmann in seiner neuen Einleitung, die einige jüngere Beiträge zur Schmitt-Forschung Revue passieren läßt, auf Felix Blindows Studie zu Schmitts "Reichsordnung" (Berlin 1999) ausgesprochen phobisch ("Rechtfertigungsliteratur") reagiert. Trotzdem liegt hier eine, neben dem eleganter formulierten Büchlein von Helmut Quaritsch, brauchbare "Einführung in Carl Schmitt für Fortgeschrittene" vor. Größten Gewinn zieht daraus, wer im Auge behält, wie sich Hofmann an der einleitend formulierten Einsicht abarbeitet, Schmitts Versuchung bestehe in der "beständigen Neigung", dem neuzeitlichen Auflösungsprozeß, dem die Ordnungsmacht des Staates unterworfen sei, durch die "Beschwörung von Einheit" auszuweichen (Legitimität gegen Legalität. Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts. Vierte Auflage mit einer neuen Einleitung, Duncker&Humblot, Berlin 2002, 286 Seiten, 22,80 Euro).


 
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