© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002


Frisch gepresst

Erich Mielke. Gemessen an ihrer weltpolitischen Bedeutungslosigkeit und dem niedrigen Unterhaltungswert ihrer jeweiligen politischen Kultur haben sich 1990 zwei gefunden, die gut jenes langweilige Großdänemark bilden konnten, in dem wir seitdem leben. Nur das die Plaste- und Elasterepublik eben noch eine Portion trister war als der Rheinstaat. Bewunderung verdient also, wer sich in die geistige Wüste ihrer Hinterlassenschaft wagt. Wer sich jedoch einer Figur wie Erich Mielke erbarmt, gerät in den Verdacht, den wahren intellektuellen Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein. Was Klaus Bästlein uns über den Stasi-Chef mitteilt, läßt den Verdacht zur Gewißheit werden. Denn die hundertseitige Biographie Mielkes bietet nichts Neues, und die daran anschließende, ermüdende Aufzählung jener Fälle, die ihm während "seines" Prozesses zur Last gelegt wurden, enthält garantiert keinen eigenständigen Beitrag zur zeitgeschichtlichen Forschung. Den hätte man aber von dem 47jährigen Verfasser verlangen können, der mit dieser Anekdotensammlung von seinen beiden Freunden Peter Steinbach und Johannes Tuchel am Berliner Otto-Suhr-Institut promoviert wurde (Der Fall Mielke. Die Ermittlungen gegen den Minister für Staatssicherheit der DDR. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002, 300 Seiten, Abbildungen, 25 Euro).

Multikulturalismus. Der Titel der Studie von Paul Gottfried verballhornt einen Essay von Charles Taylor, "Multiculturalism and the Politics of Recognition", und stellt dessen Theorie vom Kopf auf die Füße. Zuletzt zeichnete Gottfried in "After Liberalism" (Princeton, 1999) die Verwandlung des bürgerlich-liberalen Staates in eine pluralistische Massendemokratie nach. Als deren "politische Religion" (Eric Voegelin) seziert er nun den Multikulturalismus, den westlichen Kult der Schuld. Schnell und heftig reagierte die Washington Times auf Gottfrieds provokante Thesen: Durchaus gebe es "Apostel einer umgekehrten Diskriminierung", etwa die "(schwarzen) Neo-Apartheidsgruppen" an amerikanischen Eliteunis. Aber deshalb dürfe man nicht gleich der "Paranoia der amerikanischen Rechten" verfallen, hieß es in einer halbseitigen Besprechung (Multiculturalism and the Politics of Guilt. Toward a Secular Theocracy. University of Missuri Press, 264 Seiten, 24,95 US-Dollar).


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