© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Zeitschriftenkritik: Kulturaustausch
Feindbildern die Zähne ziehen
Silke Lührmann

Kulturaustausch, vierteljährlich vom Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (IfA) herausgegeben, hat sich einem Motto Alexander von Humboldts verschrieben: "Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." Ein Zeitschriftenabo ersetzt keine Weltreise, ist aber in diesem Fall ein guter Anfang.

Jedes Heft versammelt Texte unterschiedlicher Qualität und Perspektive um einen Brennpunkt der kulturpolitischen Front: von der "Zukunft der Erinnerung" (4/99) über "Willkommen auf dem Genbasar" (3/00) bis zur "Traumfabrik Europa - Kino jenseits von Hollywood" (1/01). Daß besagte Front oft genug zwischen Kultur und Politik verläuft, macht die Lektüre so spannend. Denn Kultur und Politik mögen gleichermaßen - wenn nicht gleichberechtigte - Ansätze sein, Wirklichkeit zu gestalten: Die Werkzeuge, derer sie sich bedienen, die Formen, die sie anstreben, sind andere. Entsprechend sind hier die Rubriken nach absteigender Relevanz geordnet: "Werte" oder "Identitäten" zuerst, "Medien" nach "Menschenrechten", und "Kunst", "Musik", "Literatur" zum Schluß. Manchen Texten haftet eher der Mief des Forschungsinstituts als der Staub der Straße an. Am interessantesten sind jene Beiträge, die aus der Praxis statt aus dem Elfenbeinturm berichten: von den Schwierigkeiten, als Rundfunkkorrespondent in Nairobi oder als Übersetzer, Lektor und Streitschlichter in Beirut zu arbeiten.

Unter dem Titel "Der Dialog mit dem Islam" steht die erste Ausgabe dieses 52. Jahrgangs ganz im Zeichen des in der Folge des 11. September aufgewallten Interesses am Islam. In einer gelungenen Mischung aus Interviews, Gedichten, Nachdrucken und neuen Aufsätzen wird seiner Gleichsetzung mit religiösem Fundamentalismus und terroristischem Fanatismus widersprochen. Rafik Schamis "Vom Circus der Kulturen" sei allen empfohlen, die vergessen haben, daß die Zuwanderungsdebatte um Menschen und nicht um Humanressourcen geht. Solange Feindbilder "nicht aus der Mode kommen", konstatiert IfA-Präsident Alois Graf von Waldburg-Zeil, werden "Mittlerorganisationen ... auf ihrem ureigenen Feld der interkulturellen Beziehungspflege nicht arbeitslos"; Publizisten, die vom Auf- und Abbau der Feindbilder leben, genausowenig. Mit Anekdoten über eine singhalesische Elefantenkuh namens "Monica Lewinsky" und einen musizierenden Pastorensohn aus Köln-Porz, der das jamaikanische Patois perfekt beherrscht, werden so zwar dem "Feindbild Globalisierung" (2/02) die Zähne gezogen, nicht aber der Bedrohung durch dieselbe. Bissiger kommt Peter Schneiders Liebeserklärung an "Mein Amerika" daher: "Es gab Zeiten, in denen meine Besuche in den USA mir einen Kuraufenthalt ersetzten, der mir erlaubte, mich von dem zu Hause reichlich ausgeteilten 'Mißtrauensvorschuß' und dem Wettbewerb im Niedermachen zu erholen." Mit Kultur ist Staat zu machen, ohne sie wahrscheinlich auch. Damit es dazu nicht kommt - vor allem aber, damit die Kultur und die Kulturen nicht allzu austauschbar werden -, brauchen wir Medien wie dieses. Silke Lührmann

Kontaktadresse: Institut für Auslandsbeziehungen, Postfach 10 24 63, 70020 Stuttgart. Das Einzelheft kostet 6 Euro, das Jahresabonnement 20 Euro. Weitere Informationen im Internet: www.ifa.de .


 
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